Kurzkritik Klassik:Frühlingsgefühle

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Der Pianist Martin Stadtfeld im Prinzregententheater

Von Klaus P. Richter, München

Martin Stadtfeld, längst berühmt mit der glatten Geläufigkeit seines Bachspiels, überrascht jetzt immer öfter mit interessanten Programmen, in denen er auch seine improvisatorische Fantasie einbringt. Weil aber Johann Sebastian Bach für ihn, wie er bekennt, "Ausgangspunkt für alle Musik, die danach kommt" ist, blieb der Leipziger Genius auch diesmal im Prinzregententheater sein Fixpunkt. Stadtfeld begann seine Matinee nämlich mit "Kanonischen Variationen" über das Thema des Preußenkönigs Friedrich II., das Bach zu seinem "Musikalischen Opfer" inspiriert hat.

Raffiniert kombinierte er die Kanons daraus in drei großen Abschnitten und amalgamierte sie mit Prolog und Epilog eigener, sympathetischer Erfindung. Ihr harmonisches Idiom blieb dabei zwischen schwerem Chroma und leichtem Max Reger. Das tauchte den lauen Frühlingsvormittag schon in das abgründige Licht österlicher Passionsahnung - zumal Stadtfeld dem großen Ausdrucksformat des Themas mehr Entfaltung gewährte, als eigenem Virtuosengepränge.

Auch danach blieb er mit den beiden Etüdenzyklen von Frédéric Chopins op. 10 und op. 25 im ästhetischen Bannkreis von Bach. Denn nicht nur, dass es wie in dessen "Wohltemperiertem Clavier" 24 Stücke in (nicht allen) Dur- und Moll-Tonarten sind, Chopin pflegte sich auch auf seine Konzerte stets mit Bachs Opus vorzubereiten. Wieder schob Stadtfeld eigene Improvisationen dazwischen, um Geistesverwandtes zu illuminieren, osmotische Beziehungen zu Bachs Opus zu zeigen und über strukturelle zu reflektieren: Choral und Chromatik. Aus ihrem Spannungsfeld heraus interpretierte er Chopin, von den Nachtstücken in cis-Moll und es-Moll bis zur stürmischen "Revolutions-Etüde" oder der in Oktaventriolen rasenden in h-Moll - wo allerdings dann hochtourige Virtuosität als dritte Kraft im Spannungsszenario dabei war. Ihr blieb auch die Prokofiev-Zugabe verpflichtet, bevor ein stiller Schumann beruhigte.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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