Kurzkritik: Kabarett:Gut gereimt

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Das Duo "Schwarze Grütze" in der Lach- und Schießgesellschaft

Von Oliver Hochkeppel, München

Schon beim Plakat kann es dauern, bis der Groschen fällt: "Notaufnahme" steht da, und darunter sieht man Stefan Klucke und Dirk Pursche einmal beim offensichtlich gehetzten Selfie-Machen, gleichzeitig im Display aber mit versetzter Perspektive und anderer Mimik. Hinterher, nach der München-Premiere des neuen Programms, verraten die beiden, dass sie von diesem Trick-Bild über das doppelte Wortspiel zu Titel und Inhalt des neuen Programms gekommen sind. Quer zu denken, Hintersinn mit schwarzem Humor und Sprachspielereien aufzufüllen, das ist seit über 20 Jahren typisch für Kluckes und Pursches Duo Schwarze Grütze. Und weil die beiden auch noch studierte Musiker sind, verbinden sich poetisches und melodisch-rhythmisches Talent vortrefflich, auch bei dieser "Notaufnahme".

Das beginnt schon mit der neuen Hymne für ihr Bundesland Brandenburg, angeblich vom Ministerpräsidenten "Didi" Wolke persönlich in Auftrag gegeben, aber dann verständlicherweise als "suboptimal" zurückgewiesen: Am Fallbeispiel eines an Bedienungen, Jäger und Sanitäter Geratenden wird die "Brandenburger Herzlichkeit" in Grund und Boden besungen. Noch schöner die Abrechnung mit populistischen Besserwissern im Song vom "Flug nach Schöneberg", bei dem ein flugängstlicher Pöbler und ein "Komitee aus den Reihen A,F,D" das Cockpit übernimmt, um die Maschine in Fontane-Manier ("noch 15 Minuten bis Schönefeld") ins sichere Desaster zu steuern.

Wobei das Ende erst einmal offen bleibt - ein beliebter Trick der Schwarzen Grütze, um später darauf zurückzukommen und absurde running gags zu produzieren. So wie der Titelsong zunächst alle potenziellen Notaufnahme-Fälle zusammenreimt, um am Schluss noch einmal mit exakt dem Personal wiederzukehren, das im Programm vorkam. Neben der überragenden Beherrschung des Handwerks (besser: Denk-, Sprach- und Spielwerks) hilft diese Fähigkeit, Unvereintes, mitunter eigentlich Unvereinbares zusammen zu denken und zu reimen, den beiden immer wieder aus der Bredouille. Denn viele ihre Themen sind eigentlich gut abgehangen. Aber einen Dialysepatienten per Rammstein-Song eine "deutsche Niere" fordern und einen Selbstmörder an der digitalen Unlöschbarkeit scheitern zu lassen oder in einer Radio-Parodie Gaffer- statt Stau-Tipps zu geben, darauf muss man halt erst mal kommen.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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