Kurzkritik Jazz:Ein Idealist

Lesezeit: 1 min

Renaud Garcia-Fons beim BMW-Welt-Jazz-Award

Von Ralf Dombrowski, München

Die wirklich Guten brauchen kein Getöse. Sie spielen und lassen die Musik für sich sprechen. Natürlich könnte sich Renaud Garcia-Fons viel darauf einbilden, dass Journalisten die Superlative ausgehen, wenn sie seine Fähigkeiten zu beschreiben versuchen. Aber das wäre unproduktiv, ein Irrweg der Eitelkeit, der schnell in die Sackgasse führt. Seit mehr als drei Jahrzehnten arbeitet der französische Kontrabassist lieber daran, die Möglichkeiten und Grenzen seiner Musik zu erforschen, anstatt sich auf Lorbeeren auszuruhen.

Eine der frühen Maßnahmen war ein eigenes Instrument mit einer zusätzlichen hohen C-Saite, die seinen Kontrabass einer Viola da gamba annähert und ihm neue Perspektiven der Melodieführung eröffnet. Wichtig wurden aber auch die Mitstreiter seiner Projekte, die, wie zur Zeit der Akkordeonist David Venitucci und der Vibrafonist und Percussionist Stephan Caracci, seine Klangvorstellungen tragen und ergänzen. Als Trio nähern sie sich in der BMW-Welt einer musikalischen Idee von Paris, die aus mal walzertaktigen, mal chansongetönten Imaginationen der Vergangenheit ein metakulturelles Gemenge der Gegenwart entstehen lässt. Da sind auf der einen Seite Ahnen wie Charles Trenet, die Anknüpfungspunkte beisteuern, andererseits von Garcia-Fons aber so umfassend verarbeitet werden, dass sie zu eigener Musik werden. Dabei verwandelt er den Bass stellenweise in eine Guembri, Oud, Koto, in ein Cello, eine Violine, ein Berimbau, je nachdem welche Assoziationen gefragt sind. Die Loops und großen Hallräume früherer Jahre sind verschwunden, Garcia-Fons kooperiert lieber mit den zumeist pointillistisch zurückhaltend gestalteten Linien des Akkordeons oder umrankt die Figuren des Vibrafons und bleibt dabei doch immer das Zentrum, ein Erzähler von Geschichten über die Kraft, die Schönheit und Numinosität der Musik. Damit ist er ein Idealist, der an das Erlösende der künstlerischen Erfahrung glaubt, weil er es selbst erlebt und andere für Momente daran teilhaben lässt.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: