Kurzkritik:Er meint es ernst

Lesezeit: 1 min

Jim Adkins packt richtig an im Ampere

Von DIRK WAGNER, München

Als Jugendlicher durfte Jim Adkins sich jede Woche eine Musikkassette kaufen, berichtet der Sänger der US-amerikanischen Popband Jimmy Eat World während seines Solo-Auftritts im Ampere über sein Leben in den Achtzigern. Eines Tages hätte er sich zwischen zwei Kassetten entscheiden müssen. "Mein Leben wäre wahrscheinlich anders verlaufen, hätte ich damals Nenas "99 Luftballons" gekauft" , sagt Adkins, der stattdessen "Pyromania" der britischen Hardrockband Def Lepard nahm. Die Powerchords, die er dann auf der akustischen Gitarre anschlägt, deuten einen entsprechend härteren Song an, der die Entscheidung für die Rockmusik unterstreicht. Wie er zum Ärger seiner Mutter erst morgens nach Hause kommt, singt Adkins dazu, und wie er seiner Mama dann erklärt, dass Mädchen doch nur ihren Spaß haben wollen.

Die Melodie ist freilich zu bekannt, um selbst in solcher Version zu verbergen, dass Adkins hier Cyndi Laupers "Girls just Wanna Have Fun" covert. Wie auch bei seinen eigenen Songs ergänzt Adkins sein herausragendes Picking der Gitarrensaiten mit kantigen, schrägen Dissonanzen, die der Musik bestenfalls den Kitsch, nie aber ihre Schönheit nehmen. So gelingt ihm mit "The Book of Love" wohl auch das ergreifendste Magnetic -Fields-Cover nach Peter Gabriel. Später schlüpft Adkins ein weiteres Mal in die Rolle eines Mädchens. Dann beschwört er die Zuhörer mit Rihannas Hit "Only Girl (in The World)", ihn zu spüren, als sei er das einzige Mädchen auf der Welt. Mit solchen Intermezzi bietet Adkins eine witzige Abwechslung zum restlichen Programm, das abgesehen von wenigen Solo-Werken wie "Get Right" einen Jimmy Eat World-Hit an den anderen reiht.

Indem Adkins diese aber ebenfalls ohne Band einzig auf seiner akustischen Gitarre begleitet, nähert er sich ihnen, als seien auch sie große Popsongs aus fremder Feder, die der Singer-Songwriter nun für sich entdeckt. Oft fließen die Songs dabei nahtlos in einander, als wollte der Künstler so verhindern, dass das Publikum den Zusammenhang der ausgewählten Songs mit störendem Zwischenapplaus verschleiert. Stattdessen erlebt der Sänger allerdings besonders einfühlsame Zuschauer, die ohne vorausgegangener Aufforderung sogar zweistimmig mitsingen. Dass er trotzdem ohne das übliche Zugabe-Gekasperl die Bühne konsequent nach dem letzten Song verlässt, unterstreicht die Größe des Musikers, der Rockmusik eben nicht zur Show verkommen lässt.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: