Kurzkritik:Eintopfmassaker

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"Die Nachtigall mit der Kettensäge" im Tams-Theater

Von Petra Hallmayer, München

Der Himmel war dem Theater gnädig. Keine Regenwolke hing bei der Premiere über der Sommerproduktion des Münchner Tams. Die führt zunächst aus dem bilderbuchschönen Hinterhof in eine Garage im Vorderhaus, wo Claudia Karpfinger und Katharina Schmidt eine Theaterkantine mit Wirtshausflair eingerichtet haben. Dort herrscht die Wirtin Elli (Helmut Dauner), die mit einer Bierdose in der Hand ein Georg-Kreisler-Chanson anstimmt. In der Regie von Anette Spola und Lorenz Seib entfaltet sich in der "Nachtigall mit der Kettensäge" ein munteres Szenen-Potpourri über die Trivialitäten des Theaterbetriebs, den glamourfreien Alltag abseits der Bühne.

Die Souffleuse (Sophie Wendt), die den Musiker (Niko Schabel) anhimmelt, stöckelt aufgeschreckt umher und wühlt stapelweise alte Stücktexte hervor. Die süße Ballerina (Isabel Kott) schimpft eckkneipenordinär über die "Pamperlbühne", an der sie gestrandet ist, der Herrenschneider (Burchard Dabinnus) kämpft mit dem widerspenstigen Kostüm-Rollwagen, in der Requisite fehlen die Gabeln und per Lautsprecher wird der Erbsenseintopf für "Woyzeck" angemahnt. Wir erleben lustige Slapstick- und Gesangsnummern, den liebreizenden Auftritt einer alten Diva (Astrid Polak), die sich strahlend an ihre große Zeit mit Richard Tauber erinnert und immer märchenhaftere Schnurren spinnt.

Der Musiker animiert die Zuschauer zu einer spaßigen "Orchesterprobe", bei der sie mit Salz- und Pfefferstreuern rasseln. Allein, trotz vieler hübscher Einfälle und eines lustvoll aufspielenden Ensembles fehlt es der Kantinenkomödie immer wieder an Schwung, Tempo und Irrwitz. Doch als ein mysteriöser Fremder (Zoltan Sloboda) auftaucht, in dessen Koffer sich eine Kettensäge verbirgt, nimmt die Inszenierung eine phantastische Wende. Die Angst vor einem Theatermassaker treibt die Truppe in den Hinterhof zurück, wo sie ihre Flucht vorbereitet, panisch zusammenrafft, was man zum Theatermachen braucht, die Kostüme, die Schauspieler, die Abendkasse und die Abonnenten in Kisten packt. Die schönsten Szenen finden schließlich im Tams statt. Wie die Akteure in ein Pappkulissenauto gequetscht ruckelnd und zuckelnd dahinbrausen, per Handbetrieb die Bilder einer Landschaft vorüberfliegen und die Straße hinter dem Auspuff davonsaust, das ist herrlich und hat diesen wunderbar schrägen Tams-Zauber, den man zu Beginn des Abends manchmal vermisst hatte. Am Ende findet sich das Publikum auf der Bühne wieder und darf sich zum vom Band rauschenden Applaus verbeugen.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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