Kunsttempel:"Polling ist nicht Feldafing, sondern Bernried"

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Der Plan des Künstlers Bernd Zimmer, eine Säulenhalle in der Natur zu errichten, eckt bei einigen Bürgern an. Bei einer Diskussion verspricht er bessere Kommunikation, damit das ehrgeizige Projekt am geplanten Ort entstehen kann

Von Sabine Reithmaier

Eine beiläufige Bemerkung charakterisiert die Debatte um Bernd Zimmers Säulenhalle Stoa 169 gut: "Polling ist nicht Feldafing, sondern Bernried", sagte Walter Habermann. Anders als die Feldafinger, die 1997 den Bau des Buchheim-Museums in ihrem Dorf via Bürgerentscheid ablehnten und so Bernried das Museum ermöglichten, sind sich die Pollinger der Einmaligkeit des geplanten Projekts bewusst. Kaum ein Bürger sprach sich während der Informationsveranstaltung in der überfüllten Tiefenbachhalle gegen die Halle an sich aus; im Gegenteil, die meisten versicherten dem Maler und seiner Kunst ihre Wertschätzung, auch wenn sie anschließend den Standort für ungeeignet erklärten oder sich über die mangelnde Transparenz des Genehmigungsverfahrens ärgerten. Doch trotz ihres verständlichen Zorns lieferten die Pollinger an diesem Dienstagabend mit ihrer durch und durch demokratischen, auf aggressive Töne verzichtenden Debatte unfreiwillig den überzeugenden Beweis, dass die Säulenhalle als "Insel des freien Diskurses" (Zimmer) ganz ausgezeichnet zu ihnen passt.

Zimmer, der seine längst genehmigten Pläne ausführlich vorstellte, bezeichnete es als Fehler, das Dorf nicht rechtzeitig genug einbezogen zu haben. "Ich hatte Angst, dass das Projekt scheitert, wenn ich die beteiligten Künstler und die Finanziers zu früh preisgebe", sagte er und kündigte für die Zukunft eine Informationsflut an. Das 35 000 Quadratmeter große Grundstück, auf dem die im November 2016 gegründete Stoa-169-Stiftung die Säulenhalle bauen will, liegt 200 Meter von der Ammer entfernt mitten in einer Wiesen- und Ackerlandschaft. 169 internationale Künstler sollen dafür 169 individuell gestaltete Säulen schaffen; 104 haben bereits zugesagt. Die Kosten dafür beziffert eine Infobroschüre mit 9,7 Millionen Euro. Für den laufenden Betrieb sind inklusive Instandhaltung 140 000 Euro pro Jahr veranschlagt.

Das Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen von Kunst, erfahrbar in der schlichten Form einer Stele, soll in der Säulenhalle "Stoa 169" Wirklichkeit werden. Screenshot: Video Stoa 169, stoa 169-Stiftung (Foto: N/A)

Die Halle hat eine Grundfläche von 2500 Quadratmeter, die quadratische Fläche definiert sich durch die 13 auf 13 angeordneten und 3,90 Meter hohen Säulen. Die Kunst selbst war aber kein Thema, eher die Frage, ob vor Ort auch Veranstaltungen stattfinden werden. Da die Halle stromlos bleibt, weder Kiosk noch Cafeteria besitzt und die chemischen Toiletten am Rand des Areals stehen, werde es außer Führungen und Programmen für Kinder nichts geben, sagte Zimmer. Und: "Alle müssen zu Fuß hingehen, um sich dann in Ruhe mit Kunst und Natur auseinanderzusetzen." Der Eintritt ist frei.

Der Maler verwirklicht mit Stoa 169 einen Lebenstraum, den er seit einer Südindienreise im Winter 1989/90 verfolgt. Damals beeindruckten ihn die Tempel der Hindus tief, vor allem die Vorhallen mit ihren Säulen. 2016 fasste er nach einer weiteren Indienreise den Entschluss, sich an die Umsetzung seiner Vision zu machen.

Den Ablauf des Verfahrens, das im April 2016 mit einer ersten Besprechung im Landratsamt startete, stellte Bürgermeisterin Felicitas Betz detailliert vor. "Wir mussten erst klären, ob so ein Gebäude, das nicht ins übliche Repertoire fällt, überhaupt erwünscht ist", sagte sie. Nach einer positiven Bewertung der Kreisbehörde stellte Zimmer sein Vorhaben im Gemeinderat vor. Es folgten weitere Beratungen in diversen Gremien, allesamt nichtöffentlich mit dem Ergebnis, das Projekt zu befürworten, gleichzeitig aber auch zu verdeutlichen, nichts dafür zahlen zu wollen. Für die Baugenehmigung war das Landratsamt zuständig. Wegen seiner künstlerischen Aussage sei das Projekt auf eine Lage im Außenbereich angewiesen ist, stellte Kreisbaumeister Horst Nadler klar. Man könne die Säulenhalle wohl kaum in einem Gewerbe- oder Wohngebiet platzieren. Als auch die Frage der Parkplätze geklärt war - Zimmer pachtet von der Gemeinde eine Fläche direkt neben der Bahnlinie - und die Fachabteilungen Naturschutz und Wasserwirtschaft keine Einwände hatten, wurde die Halle im März 2017 genehmigt. Öffentlich in einer Ratssitzung erwähnt wurde das Projekt erstmals im Juni 2017, unmittelbar darauf folgte auch die öffentlich durch Aushang angekündigte Vorstellung durch Zimmer, eine Einladung, der nur knapp 20 Personen folgten.

Eine Informationsflut zur Säulenhalle kündigte Bernd Zimmer an. (Foto: Roger Fritz)

Die Enttäuschung über die mangelhafte Kommunikation war denn auch das zentrale Thema des Abends. Die aktuelle Infoveranstaltung sei nur auf Druck der Öffentlichkeit und mit dreijähriger Verspätung zustande gekommen, sagte Klaus Seidler von den "Freunden der Natur", jener Interessengemeinschaft, die sich nach den ersten Presseveröffentlichungen über die Stoa gebildet hatte und die vor allem der Standort verdrießt. "Das Wirken im Untergrund stört mich massiv", sagte Seidler und kündigte der Bürgermeisterin einen Antrag auf Durchführung einer außerordentlichen Bürgerversammlung an. Zimmer riet er, sich für das "grandiose Kunstwerk" einen anderen Standort als "das letzte Stückchen Natur an der Ammer" zu suchen - eine Formulierung, die ihm Kritik eintrug, da andere unter Natur nicht unbedingt gedüngte Wiesen und Maisfelder verstehen wollten.

Der stärkste Widerstand kam von den Landwirten. "Wir wollen das Projekt dahinten nicht haben", formulierte einer unmissverständlich. Er und seine Kollegen fürchten die Konflikte, die es im Alltag geben könnte. Man fahre dort hinten auch Gülle aus, sei mit Traktoren auf der an sich gesperrten Straße unterwegs, da könne es schnell zu Konfrontationen mit spaziergehenden Kunstfreunden kommen. Zimmer versprach eine enge Zusammenarbeit, um die Probleme zu lösen.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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