Kunstsammler:Nie endende Leidenschaft

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Der Sammler und Stifter Jürgen Wilde wird 80 - und hat noch viel vor

Von Evelyn Vogel, München

Pläne für die Zukunft gibt es reichlich. Auch aktuell ist Jürgen Wilde sehr beschäftigt. Wenn der Sammler der Fotoarbeiten von Karl Blossfeldt, Albert Renger-Patzsch, August Sander, den Bechers, Germaine Krull oder Florence Henri - um nur einige zu nennen - erzählt, wie akribisch er das umfangreiche Archiv mit den verschiedenen Bildträgern, Abzügen, Büchern und Briefen pflegt und den laufenden Transfer der Objekte in die Münchner Pinakothek der Moderne vorbereitet, welche Ausstellungen und Buchprojekte in Vorbereitung sind oder wo er nach noch unentdeckten Schätzen sucht, wird klar: Auch nach seinem 80. Geburtstag an diesem Sonntag wird sich Jürgen Wilde noch lange nicht zur Ruhe setzen.

Als 2009 bekannt wurde, dass das Kölner Sammler-Ehepaar Ann und Jürgen Wilde ihre in eine Stiftung eingeflossene Privatsammlung mit Fotografien des 20. Jahrhunderts und dem damit verbundenen kunstwissenschaftlichen Archiv an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen geben würde, war der Aufschrei im Rheinland groß, die Freude in Bayern jedoch um so größer. Denn nicht nur, dass nach der Sammlung Brandhorst und der Sammlung Stoffel nun eine dritte bedeutende Privatsammlung von dort nach München kam. Die erst wenige Jahre zuvor eröffnete Pinakothek der Moderne konnte mit dem riesigen Konvolut die eigene Sammlung enorm erweitern und das Medium der Fotografie als eigene künstlerische Gattung im Haus erst so richtig etablieren. Und damit war man in München eher spät dran.

Die Wildes hingegen zählten zu den ersten, die als Sammler die Bedeutung des Mediums erkannt hatten. Sie entdeckten und kauften in den Sechzigerjahren in der DDR zahlreiche Aufnahme von Karl Blossfeldt, erwarben in München Teile des Nachlasses des Kunsthistorikers Franz Roh, einem Mentor der Avantgardefotografie, spürten die Fotografin Germaine Krull bei tibetischen Flüchtlingen in Indien auf und vieles mehr. 1972 gründeten Ann und Jürgen Wilde in Köln die erste professionelle, auf Fotografie spezialisierte Galerie Deutschlands, die sie bis 1985 erfolgreich führten. Sie erforschten Leben und Werk Blossfeldts und Renger-Patzschs und erweiterten die Künstlerarchive, die dank Jürgen Wilde 1991 in die Liste national schützenswerter Kulturgüter aufgenommen wurden. Sie sammelten und sichteten und archivierten mit großer Sachkenntnis und noch größerer Leidenschaft, gründeten Stiftungen, bereiteten Ausstellungen vor und publizierten Bücher.

Die Pinakothek der Moderne hat aus dem reichen Fundus der Stiftung bislang mehrere Ausstellungen präsentiert, unter anderem "Die neue Wirklichkeit - Fotografie der Moderne aus der Sammlung Ann und Jürgen Wilde" (2011), "Florence Henri. Compositionen" (2014), "Karl Blossfeldt. Aus der Werkstatt der Natur" (2015) und "Albert Renger-Patzsch. Ruhrgebietslandschaften" (2016). Derzeit sind die "Künstlerporträts aus den 1920er- und 1930er-Jahren" zu sehen. Und am 28. September wird aus Anlass des 80. Geburtstags von Jürgen Wilde das Mappenwerk "Métal" von Germaine Krull aus dem Jahr 1928 mit Lichtdrucktafeln aus der Erstausgabe gezeigt, ergänzt um Fotografien und Dokumente aus Stiftungsbeständen. Darauf freut sich Jürgen Wilde besonders, denn "die Ausstellung wird an unsere Beziehung zu Germaine Krull und an ihre Wiederentdeckung erinnern", erzählt er am Telefon. Auch ein Mitte der Neunzigerjahre gefasster Plan, eine reich illustrierte Biografie von Albert Renger-Patzsch herauszugeben, soll in den nächsten Jahren endlich realisiert werden.

Erst einmal aber wird auf dem ehemaligen Bauernhof südlich von Köln mit der Familie Geburtstag gefeiert. Das um- und ausgebaute Anwesen komme ihrem "Wahnsinn des Sammelns" entgegen. All das will systematisiert werden. Da ist es kein Wunder, wenn Wilde sagt, er sei "ständig beschäftigt".

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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