Kunstfälschungen:Diese Altmeister sind neu

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Sotheby's verkaufte ein Porträt, das von Frans Hals stammen soll, aber wohl gefälscht ist. Das Auktionshaus erstattete den Preis von zehn Millionen Dollar.

Von Michael Kohler

Das Porträt eines unbekannten Mannes hält derzeit die Welt der Kunst in Atem. Angeblich wurde es von Frans Hals, einem Meister des niederländischen Goldenen Zeitalters, gemalt, doch spricht vieles dafür, dass es sich bei dem Bild um eine moderne Fälschung handelt. Das Londoner Auktionshaus Sotheby's hat den von ihm vermittelten Verkauf des Hals-Gemäldes bereits rückgängig gemacht und einem privaten Sammler den Kaufpreis von insgesamt zehn Millionen US-Dollar erstattet. Allerdings könnte dies erst der Anfang sein: Sollte sich nämlich bewahrheiten, was die Indizien nahelegen, muss sich der internationale Kunsthandel für einen größeren Fälschungsskandal wappnen.

Manche der Werke waren als Leihgaben in den besten Museen der Welt ausgestellt

Im Zentrum der Affäre steht Giulano Ruffini. Der 71-jährige Franzose brachte nicht nur das mutmaßlich falsche Hals-Gemälde in den Handel, sondern auch eine Lucas Cranach dem Älteren zugeschriebene Venus mit Schleier, die sich im Besitz der Fürstlichen Kunstsammlungen Liechtenstein befindet. Im März dieses Jahres wurde die nach Frankreich ausgeliehene Venus von den dortigen Behörden wegen des Verdachts beschlagnahmt, sie könne eine Fälschung sein. Dies wiederum animierte Sotheby's, den von ihm vermittelten "Unbekannten Mann" materialtechnisch untersuchen zu lassen - dabei wurden laut Sotheby's in den Farben "untrügliche" Beweise dafür gefunden, dass das Porträt "unmöglich im 17. Jahrhundert gemalt worden sein kann". Die Pointe dabei: Ruffini selbst will die anonyme Anzeige bei den französischen Behörden erstattet haben, weil er sich von den Kunsthändlern, die seine Venus für 510 000 Euro bei ihm erwarben und dann mit riesigen Aufschlägen weiterverkauften, übervorteilt fühlt. In Frankreich steht früheren Besitzern von Kunstwerken ein Anteil an den Gewinnen zu, die bei späteren Verkäufen erzielt werden; diesen hat Ruffini wohl nicht erhalten.

Brachte sich Giulano Ruffini möglicherweise selbst zu Fall, weil er nicht verwinden konnte, dass andere mehr an seinen Fälschungen verdienten als er selbst? Mittlerweile ermittelt die Polizei gegen ihn, in seinem Haus in Parma wurden zahlreiche Bilder und Unterlagen beschlagnahmt. Und die französische Kunstzeitschrift Le Journal des Arts zitiert Ruffini mit den Worten, er habe nie behauptet, die von ihm in den Kunstmarkt gebrachten Werke seien echt. "Ich bin Sammler, kein Experte", so Ruffini, der etwa die Venus mit Schleier nicht für authentisch hält; die Zuschreibungen hätten stets die bei ihm einkaufenden Kunsthändler vorgenommen.

Giulano Ruffini will zahlreiche "Entdeckungen", also Werke, die in der Fachwelt völlig unbekannt waren, in den Handel gebracht haben. Außer dem Hals und dem Cranach nennt er unter anderem Gemälde von Pieter Bruegel, Correggio, El Greco und Diego Velázquez, mindestens zwei weitere hochrangige Bilder lassen sich laut The Art Newspaper, dem britischen Schwesterblatt von Journal des Arts, zu ihm zurückverfolgen: Ein "David mit dem Kopf Goliaths" von Orazio Gentileschi und ein dem Umkreis von Parmigianino zugeschriebener "Heiliger Hieronymus". Beide kamen über exquisite Galerien in Privatbesitz und waren als Leihgaben in renommierten Museen wie der National Gallery in London und dem Metropolitan in New York zu sehen; auch der "Heilige Hieronymus" wird derzeit auf seine Echtheit überprüft.

Noch ist nichts zweifelsfrei erwiesen. Möglicherweise aber zeichnet sich vor dem Hintergrund des boomenden Kunstmarkts wieder eine Fälscheraffäre ab, die nicht nur den Handel, sondern die gesamte Kunstwelt schlecht aussehen lässt. Welche Rolle dabei Ruffini spielt, das wird noch zu klären sein.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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