Kunst-Ranking:Nummer 100 lebt

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Nicht nur Äpfel und Birnen, sondern dazu auch noch Kiwis und Bananen: Die Kunst-Hitliste der Zeitschrift "ArtReview" vergleicht zwar Unvergleichliches, ist dennoch aber aufschlussreich.

Holger Liebs

Über die sogenannten Rankings ist eigentlich alles geschrieben worden. Diese Hitlisten sind ungerecht, willkürlich und weitgehend fiktiv - solange sie sich nicht auf Zahlen beziehen, sprich, CD-Verkäufe, Downloads oder sonstige Quantitäten eine rein numerische Rangfolge festlegen.

Die Nummer 1 des wild zusammen gewürfelten Kunst-Rankings der Zeitschrift "ArtReview": Wer könnte es anderes sein als Künstler Damien Hirst. (Foto: Foto: dpa)

Aber wenn es um die "Top 100 der einflussreichsten Leute in der Kunstwelt" geht, gerät man schnell in den Dunstkreis der Vermutungen und Spekulationen. Andererseits passt das dann auch wieder ganz gut zu einem Kunstbetrieb, dessen Marktwerte, etwa die erzielten Rekordpreise auf Auktionen, allzu schnelle Vergleiche zu Aktienkursen nahelegen - obwohl es ja eigentlich um etwas Immaterielles, Unverfügbares gehen sollte, nämlich um die Sphäre der Ästhetik. Ach ja, lang ist's her. Die Zeiten ändern sich eben.

Dennoch ist die vom Magazin ArtReview jährlich herausgegebene "Top 100"-Liste, die am heutigen Dienstag veröffentlicht wird, in mehrerer Hinsicht aufschlussreich - vor allem aufgrund der Rätsel, die dieses Sammelsurium aufgibt. Finden sich doch darin Künstler, Galeristen, Direktoren öffentlicher Museen, Kunstmessenleiter und Sammler, ja sogar Auktionatoren, also alle erdenkbaren Lager der Kunstwelt, sonst einander bisweilen spinnefeind, auf einmal einträchtig nebeneinander.

Das von einem "stillen", also anonymen Gremium aus "respektierten" Kritikern und Kuratoren bestimmte Ranking spiegelt auf diese Weise - indem es neben unvergleichbaren Äpfeln und Birnen auch noch Kiwis oder Bananen ins vitaminschwangere Früchtekorb-Allerlei packt - aber auch eine schon seit Jahren immer stärker spürbar werdende Machtverschiebung der Kunstwelt hin zu privaten Händlern, zu den Galerien und Auktionshäusern.

Weltweit finden sich nur vier Museumsleiter auf der Liste wieder, angeführt von Sir Nicholas Serota, der die britischen Tate Galleries leitet. Dagegen behaupten ihnen gegenüber gleich fünf Auktionatoren bei dem Ranking die Mehrheit: So trumpfen die Deutschen Tobias Meyer und Cheyenne Westphal von Sotheby's gemeinsam mit Rang 16 auf. Hier zeigt sich, wer inzwischen im Kunstbetrieb das Sagen hat.

Ironische Volte

Immerhin wurden noch 13 Kuratoren, ob öffentlich oder privat unterwegs oder beides, in die Liste gewählt. Es tauchen übrigens insgesamt nur drei Kritiker auf, alle aus New York: die sagenhafte Roberta Smith (Nr. 71), der kluge, konservative Peter Schjeldahl (hat ein neues Buch veröffentlicht: Nr. 72) sowie Energiebündel Jerry Saltz (79).

In die Top Ten haben es vier Galeristen geschafft, Larry Gagosian (2), Iwan Wirth, Jay Jopling und der Deutsche David Zwirner (5-7). Auch das spricht für sich. Immerhin sind noch ein knappes Drittel der Beteiligten Künstler, also die, um die es eigentlich geht. Jasper Johns, Altmeister der Pop Art, steigt auf Platz neun neu ein. Das freut uns für ihn, aber gehört er da nicht sowieso hin? Gerhard Richter besetzt immerhin noch Rang 18.

Unangefochtener Spitzenreiter der Liste ist in diesem Jahr, wie könnte es anders sein, Damien Hirst (Vorjahr: Platz 6), wobei konsequenterweise nicht sein Name auf Rang eins auftaucht, sondern der seines Unternehmens Science Ltd..

Dagegen ist der Vorjahressieger, der französische Unternehmer Francois Pinault, der den Palazzo Grassi in Venedig führt, abgerutscht auf Rang acht. Der höchste Neueinsteiger auf Platz 3 ist Kathy Halbreich, die im Herbst 2007 zum "Associate Director" im Museum of Modern Art ernannt wurde Ihr Chef, Museumsdirektor Glenn D. Lowry, fehlt dagegen.

Es ist, alles in allem, eine dieser Listen, die am Ende mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Die hundert Glücklichen, die genannt sind, werden wie üblich so tun, als sei ihnen das alles egal, aber natürlich ist es ihnen das nicht. Denn es geht um Geld, um viel Geld.

Übrigens: Eine ironische Volte hat sich das ArtReview-Ranking am Ende dann doch erlaubt. Der Kitschproduzent und Selbstvermarkter Thomas Kinkade, ein amerikanischer Maler, besetzt Platz 100. Kunstwelt, sieh' dich vor!

© SZ vom 14.10.2008/jb/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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