Kulturreport:Mehr Standbeine als eine Spinne

Lesezeit: 3 min

Multitasking ist die Aufgabe eines jeden Schlagzeugers, denn Hände wie Füße machen unterschiedlichen Rhythmus. Florian Rein beherrscht diese Kunst. (Foto: oh)

Florian Rein gibt nicht nur den Rhythmus vor, sondern dominiert auch den Hintergrund-Sound auf dem Nockherberg. Als Tausendsassa des Musikgeschäfts veranstaltet er nun das erste Bavarian Beats Festival in Bad Tölz

Von Michael Zirnstein

Es rumpelt in Seehofers Gehirn. "Pommf. Pommf. Pommf." Bis eine Stimme tönt: "Danke, Florian. Und jetzt Kick und Becken zusammen." "Pumm tschk, pumm tschk, pumm tschk." Dann scheppert eine Weile eine Snaredrum in Horsts Hörrinde, es rieseln die Chimes durch die grauen Zellen, es pingt die Triangel, es fiept das Casio-Taschenpiano, es gongt die Glocke, es signalisiert die Zither dem limbischen System: Aktiviere den Wirtshausmodus, jetzt! Hier bei der Oberstubnmusi in Bayerns Zentralhirn gibt Florian Rein den Takt an. Zumindest tut er das gerade mit all seinen Instrumenten beim Soundcheck des Singspiels am Nockherberg. Das führt die Ehrengäste im Festsaal-Saal und zwei Millionen Fernsehzuschauer diesmal in Horst Seehofers Innerstes.

Von den Stuhlreihen aus kaum zu sehen, drängen sich Florian Rein mit seinem Schlagwerk und die fünf Mitmusiker mit ihren Instrumenten auf einer Empore über dem Rückraum der Bühne zusammen. Man könnte auf die Idee kommen, das sei unwürdig für einen Absolventen der Munich Jazz School mit Diplom. Zumal für einen, der seit gut 25 Jahren mit den Bananafishbones das Rampenlicht für sich hat. Und der hier - seine vierte Einladung von Regisseur Marcus Rosenmüller - mit Dreiviertelblut spielt, der bayerischen Moritaten-Band seiner alten Weggefährten Gerd Baumann und Sebastian Horn. Die wird heuer mit neuer Platte auch eine Hauptattraktion des längst ausverkauften "Heimatsound-Festivals" im Passionstheater Oberammergau sein und hat noch Großes mit den Münchner Symphonikern vor. Aber könnte man jetzt in Florian Reins Kopf schauen, sähe man alle Lampen auf Konzentration geschaltet. Eine Musikerkarriere baut man Ton für Ton auf, jeder Schlag muss sitzen, auch beim Soundcheck.

Sein Instrument zu beherrschen sei das eine, aber um als Profimusiker zu überleben, brauche es zudem Organisation, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, sagt Rein, "nur lernt man das leider nicht im Studium". Vielleicht ist der Tölzer als Schlagzeuger im Vorteil, wenn es darum geht, an allen Enden etwas anderes zu tun, ohne dabei aus dem Rhythmus zu geraten. Er hat nie allein auf ein Leben als Rockstar gesetzt, als dies greifbar war ums Jahr 2000 herum, als die Bananafishbones Hits wie "Come to Sin" landeten. Rein ist der Motor des Trios, der - stets schmunzelnd - die Schienen legt für die Kapriolen des Gitarristen Peter Horn und den gerne mal abdriftenden Sänger Sebastian Horn. Eigentlich wollen sie 2016 wieder ein Album machen, doch dafür müsste er zwei Monate Studiozeit freiräumen. Aber woher nehmen?

Normal sind Tage wie dieser, als der 44-Jährige vor der Singspiel-Probe und einem Interview drei Stunden im eigenen Bergbeat-Studio mit dem Tegernseer Youtube-Wunder Kinihasn am Debüt arbeitete und dann alle Vorverkaufsstellen in Bad Tölz abklapperte. Er veranstaltet am Freitag und Samstag das "1. Bavarian Beats Festival" im Tölzer Kurhaus, um zu zeigen, wie facettenreich die bayerischsprachige Szene zwischen Singer-Songwritertum, Pop und Hip-Hop derzeit glänzt. Am Samstag hat er Alex Cumfe, Lenze und de Buam, die Mundwerkcrew und Dicht & ergreifend eingeladen, am Freitag spielen Karin Rabhansl, Mathias Kellner und Dreiviertelblut, bei denen er zwölf Takte lang seine Leidenschaft für die Posaune ausleben darf. Rein hat mehr Standbeine als eine Spinne.

Im Bergbeat-Studio hilft er als Produzent, Toningenieur und Co-Autor Kollegen wie Mathias Kellner, Martina Schwarzmann oder Chris Böttcher. Er macht Musik und Sounddesign für Filme wie die "Wilde Kerle"-Reihe, für Werbespots und Theaterstücke wie Shakespeares "Sturm" an der Münchner Schauburg, wo er mit seinen Fishbones als schauspielende Musiker bald die hundertste Aufführung von "Fahrenheit 451" gibt. Als Booking-Agent vermittelt er sich selbst mit einem Dutzend Bands für jeden Anlass, von der Jazz-Combo über die Gala-Band bis zur Drum-Show bei einem Biathlon-Weltcup. Das mutet geschäftstüchtig an, aber Rein beteuert: "Musik muss ehrlich gemeint sein, dann ist sie gut. Und sie muss halt ein gewisses Level haben, dabei kann ein Rock-Rhythmus im 4/4-Takt anspruchsvoller sein als eine komplexe Jazz-Komposition."

Man sieht das gut an seinem Verkaufsschlager, The Heimatdamisch, einer Unterhaltungskapelle im besten Sinne, die im Oberkrainer-Stil moderne Pop-Hits von Pharell Williams "Happy" ("Des gfreit mi") bis AC/DC als Polkas kunstvoll und schmissig dudelt: "Highway to Oberkrain". Ursprünglich der launige Pausenfüller einer Heimat-Hörspielreihe, ging man bald auf Konzert-Lese-Tour, ehe Veranstalter fragten, ob es die Lesung auch ohne Lesung gebe. Der Bandleader stockte Besetzung und Repertoire auf, sodass er die Riesen-Open-Airs wie das "Woodstock der Blasmusik" oder die "Brass-Wiesn" bedienen konnte. Der Markt sei das eine, die Gaudi an der Sache aber viel wichtiger. Er handelt schon die Termine für 2017 aus.

Heuer passierte Rein bei der Planung ein Malheur. Er nahm einen Auftritt im Februar im Löwenbräukeller an und dachte sich nichts dabei. Die Showeinlage stieg allerdings beim Triumphator-Anstich. Die Salvator-Konkurrenz am Nockherberg schäumte über. Zumal Sebastian Horn bei Heimatdamisch den singenden Wirtshauszecher gibt und beim Paulaner-Politikerderblecken auch im Autorenteam Liedtexte schreibt. Für Florian Rein waren es zwei Paar Stiefel, hier die Showband, da die Theatermusik. "Aber klar, wir hätten da viel sensibler vorgehen müssen", sagt er reuig. Mit einem Entschuldigungsbrief hat er die Starkbierwogen geglättet. Rein kann besänftigen, verhandeln, kämpfen. Seit einem Jahr sitzt er für eine freie Wählergemeinschaft im Tölzer Stadtrat. Da weiß er, wie es im Kopf der Mächtigen aussieht.

Bavarian Beats Festival , Fr./Sa., 26./27. Februar, 20 Uhr, Kurhaus Bad Tölz, 080 41/78 67 15

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: