"Kulturpalast":Kultur satt im Speckgürtel

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Wie ein kleines Festival in Franken seit vielen Jahren Besucher verblüfft

Von Birte Mensing, Zirndorf

Das Konzert von Bela B. ist gerade vorbei. "Ich würd' gern noch unplugged spielen, könnt ihr mir ein Lagerfeuer im Hof anzünden?", fragt der Musiker der Punkband "Die Ärzte". Aber der Wolfgangshof im mittelfränkischen Anwanden bei Zirndorf ist denkmalgeschützt, ein Feuer im Hof unmöglich. Also bauen die ehrenamtlichen Festivalhelfer ein künstliches Feuer aus Scheinwerfern, stellen Bierbänke auf und los geht's. Ein typischer Moment für das Festival "Kulturpalast" im vergangenen Sommer.

"Das ist der Geist von Anwanden", sagt Andreas Radlmeier. Der 60 Jahre alte Festivalleiter pflegt diesen Geist seit zwei Jahrzehnten. Damals zogen mit ihm und seiner Familie etwa 50 junge Familien in ein Neubaugebiet in Anwanden im Nürnberger Speckgürtel. Auf einer S-Bahn-Fahrt nach Nürnberg überlegten sich Radlmeier und ein Freund, ein bisschen Kultur in die Nachbarschaft zu bringen. Im September 1999 rezitierte der Glossenschreiber Klaus Schamberger dann in einer windschiefen Scheune in der Nachbarschaft seine Geschichten in fränkischer Mundart, dazu gab's Musik. 200 Besucher lockte dieser "fränkische Köder" an, wie Radlmeier es nennt. Der Kulturpalst Anwanden war geboren, ein Verein dazu schnell gegründet.

Seitdem prägen unerwartete Begegnungen, Überraschungen und Improvisation das Festival. Viele der Programme entstehen extra für den Kulturpalast. Oft mit nur wenigen Proben und gewagten Konstellationen. "Wenn's funktioniert, ist es doppelt schön", resümiert der Festivalleiter. Bis zu 5000 Zuhörer kamen deshalb in den vergangenen Jahren zum Kulturpalast Anwanden. Der Kabarettist Andreas Reber trat in Anwanden erstmals mit vier Musikern auf, die ihn mittlerweile auch schon in München als "Palastquartett Anwanden" begleiteten. Auch in diesem Jahr stattet er dem Kulturpalast einen Besuch ab.

Vor zehn Jahren bat Radlmeier Dichterinnen und Dichter, nicht nur ihre Texte, sondern auch ihr Lieblingslied mitzubringen. Eine Band spielte die Lieder, und die Peotin Nora Gomringer fing kurzer Hand an selbst zu singen. Alle waren begeistert. ZuR 20. Auflage des Festivals tritt Gomringer in diesem Jahr als Jazzsängerin auf.

Zu Musik und Unterhaltung kommt die bildende Kunst. Dieses Jahr unter dem Motto "Familienbande". Dazu stellen Künstlerpaare und -geschwister ihre Werke aus. "Wir sind ein familiäres Festival, oft arbeiten mehrere Generationen aus einer Familie mit." Auch Radlmeiers Sohn, der mittlerweile in Freising wohnt, kommt jedes Jahr wieder und arbeitet mit seinen Freunden am Cocktailstand. Nur Licht und Ton machen Profis, alle anderen Aufgaben verteilt Radlmeier mit einem Einsatzplan an die freiwilligen Helfer.

Die etwa 80 Ehrenamtlichen arbeiten sonst als Zahnarzthelfer, Bankdirektoren und Yogalehrer. Wer sich zum Bratwürste grillen meldet, darf auch mal einen Abend pausieren und zuhören: "Das Fest ist immer noch zunächst für uns selber."

In diesem Jahr kommen vor allem Musiker, die schon in Anwanden gespielt haben. Auch Klaus Schamberger ist wieder mit dabei. 13 Konzerte gibt es an den vier Tagen vom 21. bis zum 24. Juni, nur fünf davon kosten Eintritt. "Die Leute sollen sich auch mal zu was hintrauen, wofür sie kein Geld ausgeben würden", hofft Radlmeier. Dieses Jahr denkt er da vor allem an das Liegekonzert der "Polstergruppe" rund um den Schweizer Stephan Eicher, wo die Zuhörer zu später Stunde ruhig wegdämmern dürfen. "Ich kann mir das gar nicht vorstellen", sagt Radlmeier aufgeregt.

Sein Hobby hat der Festivalleiter mittlerweile zum Beruf gemacht hat. Für das Kulturbüro der Stadt Nürnberg organisiert er zum Beispiel das Bardentreffen. Wenn in Anwanden der Kulturpalast in die heiße Phase geht, nimmt Andreas Radlmeier acht Tage Urlaub. Er bucht die letzten Zugtickets für die Musiker, schreibt Speisekarten, organisiert Blumenkübel und den Aufbau der Bühnen. Damit dann am Donnerstag von 18 Uhr an alles bereit ist und Besucher, Helfer und Musiker eine gute Zeit haben können.

Kulturpalast Festival , Do., 21., bis So., 24. Juni, Wolfgangshof, Anwanden bei Zirndorf, Infos unter www.kulturpalast-anwanden.de

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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