Kultur im Export/Import:Und es hat Buzz gemacht

Lesezeit: 3 min

Wenn die Poet-Bee um den Poet-Tree kreist, dann ist das Poesie: Bei Meike Harms handelt es sich um die Bayerische Meisterin im Poetry Slam 2014. (Foto: oh)

Die Poetry-Slammerin Meike Harms will der Biene mit einer Performance huldigen - sie fasziniert nicht nur deren Bedeutung für das Ökosystem, sondern auch die Mystik

Von Anna Steinbauer

Die Inspiration lauert im Supermarkt. Zwischen Mineralwasser und Damenbinden: extrastill und ultranormal. Die beiden Adjektive versetzen wohl nur wenige Menschen in derartige Verzückung wie Meike Harms. Inmitten von Getränken und Hygieneartikeln hat sie bereits ihren nächsten Vers gefunden. Die Slam-Poetin und Poesiepädagogin hat viel übrig für die absurden Sprachspiele und Klänge des Alltags: "Man ist ja mit allen Sinnen unterwegs und kuckt, was einen anteasert", sagt Harms. Egal ob beim Einkaufen, auf der Bühne oder bei kreativen Schreibprojekten, die sie mit Schülern durchführt: "Ich lande immer wieder beim Reim. Reime sind ja auch Ideengeber."

Die 1982 geborene Bühnenpoetin studierte Germanistik, Anglistik und Soziologie in Augsburg. Anschließend machte sie eine Ausbildung zur Poesiepädagogin am Institut für Kreatives Schreiben in Berlin. Mittlerweile gibt sie Schreibkurse an Schulen und arbeitet schwerpunktmäßig auch mit Migranten und Flüchtlingen. Ende 2011 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne, bei einem Slam zum Jubiläum von vier Jahrzehnten IG-Feuerwache. Dort entdeckte Ko Bylanzky, Veranstalter und Moderator der legendären Poetry-Slams im Substanz, ihr Performancetalent und fragte sie, ob sie nicht auftreten wolle. Der Ehrgeiz war entfacht, die Slam-Poetin Harms geboren. Seit ihrem ersten Slam 2011 zählt sie im Substanz zu den bekannten Gesichtern. Dass sie sich heute eigentlich ganz wohl vor Publikum fühlt, war damals undenkbar: "Mir war klar, ich trau mich nicht auf die Bühne. Eigentlich habe ich Angst vor Menschen", sagt Harms. Doch die wurde mit jedem Auftritt weniger. 2014 gewann sie die Bayerischen Meisterschaften im Poetry Slam in Nürnberg und stand im selben Jahr bei den deutschsprachigen Meisterschaften in Dresden im Halbfinale. Neben der Community schätzt Harms besonders, dass sich beim Slammen zwei ihrer Leidenschaften verbinden - das Schreiben und das Sprechen.

Bei ihren Schulprojekten und in der Sprachwerkstatt steht für sie das Spiel mit der Sprache und der Prozess des gemeinsamen Schreibens im Vordergrund: "Es geht darum, die Kinder in Sprache zu tauchen und sie zu ermutigen, diese zu gebrauchen." Für ihr Buch "Poesie kann Karate. Ein emotionales Bestiarium", das Anfang November erscheint, ging sie nach einem strengen Strukturprinzip vor: Sie überlegte sich sachliche Adjektive und verband diese mit emotionalen Substantiven. So entstanden Wortmonster wie die leistungsorientierte Freude oder die TÜV-geprüfte Fürsorge, die die Illustratorin Andrea Graf in Bilder umsetzte.

Einen speziellen Abend plant Harms nun im Import/Export. Die Hauptrolle spielt die Biene, neben der Poesie selbstverständlich. Aber Poet-Bee und Poesie, das sind für Harms sowieso ein und dieselbe Sache. "Bienenpoesie für alle Sinne" hat die Slam-Poetin die Veranstaltung genannt, bei der sie zusammen mit dem Demeter-Imker Andreas Bock, der Sängerin Kaja Plessing und dem Künstlerduo Marlene Besl und Giovanni Raabe die Biene in den Fokus rückt. "Wir wollen der Biene unsere Stimme verleihen", erklärt Harms.

Neben lyrischen Texten gibt es Tonaufnahmen von Schwärmen, Fotos von Bienenwaben, Gesangseinlagen und eine Video-Installation. Alle Mitwirkenden verbindet das Interesse an Bienen, über die wir oft nur eine "Biene-Maja- Bildung" besitzen, wie Harms es nennt: "Es ist dieser Buzz, das Summen von Abertausenden von Bienen in der Luft." Die Faszination an den Insekten könne man nicht sachlich vermitteln, sondern nur künstlerisch, so Harms. Die Artenvielfalt der Biene ist bedroht, dabei ist der Bestäubungsakt enorm wichtig für unser Ökosystem. Abgesehen davon spannt sich um Biene und Mensch eine ungeheure Mystik - von der Angst vor dem Bienenstich bis hin zur Metapher des arbeitsamen Tierchens. "Die Biene ist für mich das poetischste Insekt. Sie macht auch ganz unzweckmäßige Sachen." Deshalb hat die Sprachkünstlerin ihr auch ein Gedicht namens "Autonome Poesie" gewidmet. Darin vergleicht sie die vom Aussterben bedrohte Poet-Bee, die um den Poet-Tree kreist, mit der Poe-Sie. Wie das Insekt befindet sich auch diese in einem Auflösungsprozess, da sie von der "monokulturellen Unterhaltungsindustrie" in die Knie gezwungen wird. Es gilt, mit "verbalen Keulen" zurückzuschlagen. Harms hat jedenfalls eine davon.

Bienenpoesie für alle Sinne , Mi., 30. Sep., 19.30 Uhr, Import/Export, Dachauer Str. 114

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: