Kritik:Reines Glück

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Cecilia Bartolis Auftritt im Prinzregententheater

Von Egbert Tholl, München

Das erste Stück passt. Es ist rein instrumental und beschreibt die "Ankunft der Königin von Saba"aus dem Oratorium "Solomon". Die Königin kommt dann auch gleich, und das Glück beginnt.

Von allen großartigen Konzerten, die Cecilia Bartoli bislang in München gegeben hat, könnte dies das allergroßartigste gewesen sein. Bartoli singt nur Händel. Aber es ist keine Aneinandereihung von dessen beliebtesten Arien, nein, manches dürften viele hier zum ersten Mal gehört haben. Aber auch das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr baut Bartoli sich eine neue Oper zusammen, folgt dem barocken Prinzip des Pasticcio, erfindet etwas Neues aus Vorhandenem, eine Art Mono-Oper mit allen dafür nötigen Affekten und sogar voll mit Duetten und Terzetten. Allerdings singen ihre Dialogpartner nicht; es sind die umwerfenden Bläsersolisten des Orchester "Les Musiciens du Prince", das seinen Namen völlig zu Recht trägt, schließlich baute es sich Cecilia Bartoli selbst zusammen mit fürstlicher Unterstützung aus Monaco. Herausgekommen ist dabei ein phänomenales Originalklang-Ensemble mit anbetungswürdigen Solisten, etwa dem völlig verrückten Schlagwerker Michael Metzler, das beim Konzert die Bartoli-Vertraute Ada Pesch als Konzertmeisterin leitet unter einen einzigen Prämisse: möglichst aufregend, lebendig und großartig zusammen Musik zu machen.

Hier begleitet nicht einfach ein Orchester einen Gesangsstar. Hier ist alles miteinander verwoben, und Bartoli strahlt vor Glück. Dieses Glück gibt sie weiter, das Prinzregententheater birst, auf dem Graben sitzen Zuschauer, hinter dem Orchester auf der Bühne, am Ende stehen alle. Natürlich auch deshalb, weil sie ein bisschen hochvirtuosen Zirkus gemacht hat, Koloraturen-Zaubereien im Dialog mit den dann vorne bei ihr positionierten Bläserkollegen. Aber ehrlich: Am umwerfendsten waren der nie endende Schmerz. Die Largos, die intimen, zarten, innigen, wunderschönen Stücke. "Lascia la spina" etwa: Kennt man als "Lascia chio pianga" aus "Rinaldo", ist aber älter. Händel hat sich gern selbst kopiert, siehe "Pasticcio" oben.

Hier nun sitzt man fast fassungslos vor dem entrückten Zauber reiner Traurigkeit. Bartoli besaß ja stets einen etwas speziellen Stimmklang; hier formt sie damit einen Charakter, die Momentaufnahme einer Figur. Und dann immer wieder dieses hinreißende Musikmachen. Die letzte Zugabe (von Agostino Steffani) wird zu einem flirrenden Miteinander mit dem Trompeter Thibaud Robinne inklusive Jazz, "Summertime", ach herrlich.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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