Kritik:Immer wieder neu und unerhört

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Julia Fischer kultiviert einen wunderzarten Ton, der im Kontrast zur Erdigkeit des Orchesters erblüht. (Foto: Julia Wesely)

Julia Fischer spielt Beethoven mit den Bamberger Symphonikern

Von Egbert Tholl, München

Der Beginn von Dvořáks achter Symphonie klingt, als fiele Sonnenlicht durch die Fenster einer weiten Kathedrale. Die Brillanz der Bamberger Symphoniker macht sogar aus der Philharmonie im Gasteig einen richtig guten Saal. Denn die Musiker unter ihrem grundsympathischen Chef Jonathan Nott pflegen einen erdigen, vollen, warmen Klang, veredeln diesen aber mit dem Glanz virtuoser Akkuratesse. Und so gelingt Dvořáks Symphonie ganz und gar ohne das Wühlen im Sediment der diversen Volksmusiken, die der Komponist hier seinem symphonischen Stil anverwandelt.

Alles ist elegant, auch der große Zirkus am Ende, nach dem auch nur noch eines kommen kann: Der vierte Satz aus Ligetis "Concert românesc", längst als Zugabe eine Art Erkennungsmelodie der Bamberger unter Nott geworden - ein prächtiges, absurdes Tohuwabohu, das nun den wohl letzten Auftritt des fränkischen Staatsorchesters unter seinem im Juli kommenden Jahres scheidenden Chef in München beschließt.

Davor ließ sich Julia Fischer von den Bambergern begleiten, während sie den Solopart von Beethovens Violinkonzert spielte. Eine perfekte Symbiose, gerade weil Fischer einen wunderzarten Ton kultiviert, in deutlichem Kontrast zu des Orchesters Erdigkeit. Dieses scheint sie zu schätzen, hört mit Kennermiene zu, während sie auf ihren Einsatz wartet. Ein wenig streng wirkt sie da, auch so, als überlege sie, wie tragfähig ihr Geigenton sein werde. Nun, auf dessen Konsistenz kann sie vertrauen, da bei ihr kein Ton nicht dezidiert ist. Ihr Spiel könnte in Kühle kontrolliert sein, gäbe es da nicht ein ganz wunderbares Phänomen: Julia Fischers Spiel wirkt immer so, als entdecke sie die Musik im Moment ihrer Aufführung. Keine Ahnung, wie oft sie Beethovens Violinkonzert bereits aufgeführt hat - die Summe all ihrer Erfahrung führt keineswegs zu Routine.

Auch wenn sie den leichten, hymnischen Ton ihrer Geige ins Virtuose hineinbiegt, gibt es nichts Gewisses, Bekanntes für sie. In einer der vielen Kadenzen wendet sie sich um, zum Orchester hin, als wolle sie diesem eine große Frage stellen. Daraufhin brechen sich die Musiker mit Gewalt Bahn, und Fischer kann wieder lauschen. Es ist eine herrliche Erfahrung von miteinander Musikmachen und kaum überraschend, dass das Publikum gleich nach dem ersten Satz, nach der furiosen Doppelgriff-Kadenz, in Jubel ausbricht. Danach geht es weiter mit duftender Magie, die immer und überall etwas ganz und gar Konkretes hat.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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