Kritik:Bedingt zündend

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Überzeugend in Aktion: Irina Sulaver (links) und Nurit Hirschfeld. (Foto: Federico Pedrotti)

Regie-Abschluss: "Das Pulverfass" an der Otto Falckenberg-Schule

Von SABINE LEUCHT, München

Dejan Dukovski probierte im Jahr 1996 die Flucht nach vorn: Mit dem Krieg auf dem Balkan hatte sich die Gewalt erneut mitten in Europa festgefressen; und der Autor aus Mazedonien gab einfach der conditio humana die Schuld. Genauer gesagt dem Mann, den er in "Das Pulverfass" in elf lose verbundenen Szenen dessen Bestialität vorführen ließ. Mit beiläufigen Morden, Verrat im Superlativ, kiloschweren Brechstangen und sehr viel Gleichgültigkeit. Hauptsache, keiner rührt sein Auto an, das mit dem Ficken läuft rund und "Scheiß auf die Weiber!"

Warum nach zwanzig Jahren ausgerechnet eine junge Regisseurin dieses Stück wieder ausgräbt, scheint rätselhaft, aber Katharina Bianca Mayrhofer hat nun einmal beschlossen, ihr Studium an der Otto- Falckenberg-Schule mit einem Päng! zu beenden und einem reinen Frauenensemble eine Übung in ganzheitlicher Hässlichkeit verordnet. Kein echter Kerl in Sicht wie Samuel Finzi, den Dimiter Gotscheff 2000 und 2008 zur Verfügung hatte. Und also keine Chance auf das Authentizitäts-Ding.

Lina Habicht grölt schon zu Beginn kettenrauchend ins Mikro, singt lasziv und ruft sie aus, die Travestie, die Xenia Tiling ohne große Überzeichnung beherrscht: Sie trägt einfach ihren Jeansrock höher, lässt mehr Luft zwischen die Knie und den Rotz auch mal laufen. Und Irina Sulaver hat vom mühsam jedes Wort inhalierenden Lustgreis bis zum Vergewaltiger die breiteste Palette an Männlichkeitsklischees zu absolvieren. Mayrhofer hat ihre sechsköpfige Sauf- und Knastbruderschaft mit reichlich Bierdosen und Kippen ausgestattet an Kaffehaustischchen gesetzt, die sich bis in die ersten Reihen der Kammer 3 hinein fortsetzen. Richtig nah kommen einem die durch Frauenkörper hindurchgegangenen Mannsbilder dennoch nicht. Und die wenigen Frauenrollen rücken durch besonders comichafte Darstellung gar noch weiter weg. Auf die ist Nurit Hirschfeld gebucht - eine Schauspielschülerin mit toller Stimme, die hier Mickeymouse-Kiekser und ein enervierendes "Hihihihihi" von sich gibt. Zum Rätsel Mann sind da weitere hinzugekommen.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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