Komödie:Alles nur erfunden

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Das Nürnberger Staatstheater spielt "George Kaplan"

Von Florian Welle, Nürnberg

Er wird von New York über Chicago bis zum Mount Rushmore gejagt. Cary Grant ist in Hitchcocks lässigem "North by Northwest" der Werbefachmann Roger Thornhill, den Gangster für den Agenten George Kaplan halten. Doch diesen Kaplan gibt es gar nicht, er ist eine Erfindung der CIA. Ins Leben gerufen, um von ihrem echtem Spitzel abzulenken. "George Kaplan" hat Frédéric Sonntag seine ebenso witzige wie tiefsinnige Komödie genannt. Darin geht es in drei Szenarien um das Verhältnis von Fakt und Fiktion. Die Geschichten, die der Mensch sich erzählt, braucht er zum Leben. Aber auch Staaten nutzen die Kraft von Mythen, um Sinn und Identität zu stiften. Auf der Strecke bleibt dabei gerne die Wahrheit. Anders gesagt: die Fiktion wird so überzeugend erzählt, bis sie für wahr gehalten wird.

Im ersten Teil des Stückes, das Klaus Kusenberg mit viel Drive und fünf spielwütigen Schauspielern auf die Kammerspiel-Bühne gebracht hat, geht es um "die Gruppe George Kaplan" - junge Aktivisten, die keinen Bock mehr auf Turbokapitalismus haben und dazu aufrufen, George Kaplan zu werden: "Wir werden der sein, dessen Name überall und dessen Körper nirgends ist ...". George Kaplan steht hier für Subversion, doch bevor aus ihr Realität wird, ist man längst zerstritten. Gescheitert an miserablem Kaffee, Basisdemokratie und der richtigen Definition. George Kaplan, soll das nun eine Aktion, eine Gegenfiktion oder doch "nur Verarschung" sein? Die Gruppendynamik entwickelt sich ziemlich chaotisch. Karen Dahmen spielt die Gute-Laune-Tante, Bettina Langehein mimt eine nervige Protokollführerin und Philipp Weigand einen herrlichen Diskurs-Klugscheißer. Nach einer Umbaupause, die dank einer an Graphic Novels erinnernden Videoanimation von Nicola Lembach kurzweilig ausfällt, befindet man sich im zweiten Teil in einem Writersʼ Room in Hollywood.

Unbekannte haben die besten Drehbuchautoren versammelt. Es soll eine Story entwickelt werden, die einen Kriegseinsatz rechtfertigt. Sonntag spielt hier auf die fadenscheinigen Gründe an, die einst Amerikaner und Briten vorbrachten, um im Irak Krieg zu führen. Das ist der ernste Hintergrund dieses well-made-plays, das gleichwohl nie moralinsauer ist. Dafür hat Sonntag allein dadurch gesorgt, dass er einen der Autoren als kriegsgeilen Macho und den anderen als Häuflein Elend überzeichnet hat. Christian Taubenheim ist der Fiesling und Thomas L. Dietz der jammernde Borderliner. Im letzten Teil tagt eine Art Geheimregierung. George Kaplan heißt die unsichtbare Bedrohung, von der niemand weiß, wer dahinter steckt - ein kühl in Szene gesetztes Science-Fiction-Verschwörungs-Szenario. Wer eineinhalb Stunden intelligent unterhalten werden möchte, der sollte sich diesen "George Kaplan" anschauen.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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