Komik:Schnarchen mit Beethoven

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Helge Schneider an zwei Abenden in der Philharmonie

Von Jürgen Moises, München

Am Ende war es ihm vielleicht doch einfach zu fad und einsam, das Rentnerdasein in der Sierra Nevada. Das hatte Helge Schneider nämlich 2014 angekündigt, dass er sich mit seinem Miniaturklavier dorthin zurückziehen will. Oder aber der 61-Jährige hat sich schlicht und ergreifend durch die an ihn verliehenen Preise zurück auf die Bühne komplimentieren lassen. Im vergangenen Jahr hat der Komiker und musikalische Tausendsassa etwa den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz erhalten, am 17. Juli bekommt er in München den Bayerischen Kabarett-Ehrenpreis verliehen. Aber im Grunde ist es wohl egal, was ihn zurückgebracht hat. Das Wichtigste ist: Helge ist wieder da, mit dem neuen Album "Heart Attack Nr. 1" und dem neuem Bühnenprogramm "Radio Pollepopp". Mit dem war er nun gleich zweimal in der Philharmonie live zu erleben.

Einsamkeit spielt auch darin eine Rolle, als Running Gag sozusagen. Weil Helge Schneider die meiste Zeit alleine auf der großen Bühne steht, sitzt oder hin und her gockelt, den Klavierhocker verrückt und dann nicht wiederfindet, über Gott und die Welt oder den Reichtum salbadert, den ihm sein Lied "Katzeklo" beschert hat. Natürlich gehört auch Musik zum Programm. Dafür ist in der Bühnenmitte ein Flügel positioniert, links ein kleines Drumset und rechts eine Orgel, im Bühnenhintergrund stehen oder liegen ein Cello, verschiedene Bongos, eine Akustikgitarre sowie eine E-Gitarre samt Verstärker herum, die allesamt zum Einsatz kommen. Zur E-Gitarre muss Schneider die beiden Bühnentreppen im Hintergrund hoch. Er fläzt sich oben in einen roten Sessel, schmeißt Verstärker und Nebelmaschine an und singt, natürlich: einen Blues. "I was born, yes I was." Dass er damit gleichzeitig eine Parodie und eine liebevolle Hommage abliefert, das ist eine Kunst, die sich Schneider über Jahrzehnte erarbeitet hat.

Am Flügel kriegt wiederum Beethoven sein Fett weg, als Schneider bei der Mondscheinsonate einschnarcht und vor sich hin monologisiert. Jazz gibt es auch, inklusive einer schönen Überraschung. Denn plötzlich wird ein zweites Schlagzeug aufgebaut, Pete York, mit dem Helge Schneider sein neues Album aufgenommen hat, kommt herein. Die beiden spielen "Sweet Georgia Brown", jammen an Schlagzeug und Orgel und liefern sich ein herrliches Drum-Battle. Was gibt es noch? Ein chinesisches Schlaflied auf Gitarre oder Klassiker wie "Katzeklo" und "Texas" in charmanten Variationen. Beim "Meisenmann" tollt Sergej Gleithmann, der Mann mit Rauschebart, über die Bühne, das ist genauso bescheuert wie hinreißend komisch, so wie fast alles, was an diesem Abend passiert. Und was davon nun präzise vorbereitet oder improvisiert ist oder nur ein Kalauer, um die Zeit bis zur Pause totzuschlagen, lässt sich nicht wirklich sagen. Ist aber auch egal, denn gerade das macht Helge Schneiders Kunst aus.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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