Klingeltöne von Philharmonikern:Mozart ist nicht Schnappi

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Die New Yorker Philharmoniker haben die Rufzeichen der Zeit erkannt und machen sich fortan mit Wirklichkeit schmutzig: Sie bieten ihre Kunst in Form von Klingeltönen zum Download an. Hierzu die nötige Zurechtrückung.

Bernd Graff

Die neue Konzertsaison soll die New Yorker Philharmoniker knietief in die nicht-klassische Musikwelt führen, ja, sogar noch tiefer - in eine Welt, die man nicht einmal mehr Musikwelt nennen kann.

So wolle man zwar einerseits das Konzertprogramm mit einer Welt-Tournee auf China und Europa ausdehnen, um mehr Einnahmen zu - wie man so schön schnöde sagt - generieren. Doch das sind Maßnahmen der Gewinnmaximierung nach altem Schnittmuster.

Tatsächlich erhofft man sich bei den Philharmonikern wahrhaft neue Impulse durch ungehörte Töne und innovative Distributionswege. Wie das Management mitteilte, hat man das Orchester vergattert, Musikstücke für iTunes einzuspielen - und für den Download von Telefon-Klingeltönen.

Mozartvergewaltigung, Brahmsbanausentum, Rentabilitätsschwachsinn!

"Wir sehen uns an der Spitze der itunes-Charts," sagt Zarin Mehta, der Philharmonikerchef, "gemeinsam mit Madonna."

So könne man bei iTunes ab jetzt ganze Live-Konzerte downloaden - oder minutenlange Passagen daraus. Außerdem seien schon fünf eigens eingespielte Klingeltöne fürs Handy erhältlich, darunter Ausschnitte aus Brahms' Variationen, Dvoráks "Siebter Symphonie" und Mozarts letzten Symphonien (39, 40, 41, "Jupiter"). Mehr Töne werde es recht bald geben.

Man muss sich diese kulturindustrielle Diversifizierung nun aber doch als rechte Mozartvergewaltigung und Umweltnervmaßnahme allererste Güte vorstellen. Wer je neben einem Kollegen zu arbeiten hatte, der "Greensleeves" zum Geläut wählte, und an die 47 mal am Tag zum Mithören verdammt wurde, weiß, dass selbst Philharmoniker aus New York einen derart in Heavy Rotation gebrachten Mozart der Mitwelt nicht näher zu bringen vermögen. Ganz im Gegenteil. Auch und gerade in Symphonielänge nicht!

Sagen wir: Es ist gut, solange es währt. Aber es währt verdammt kurz. Wann endlich wird man also die Hohe Kunst von derlei Rentabilitätsschwachsinn befreien? Mozart ist nicht Schnappi - auch, wenn sich ein gut geerdetes Management von derlei Umwidmungsquatsch schon die Madonna-Millionen-Dollarzeichen in die Augen treiben lässt.

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