Klaus Voormann über Clapton und die Beatles:Also Eric, jetzt hör mal!

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Klaus Voormann war mit Eric Clapton Gründungsmitglied der Plastic Ono Band. Beim Lesen von dessen Biographie musste er nun öfter mal seufzen. Für uns hat er ein paar persönliche Worte an Clapton geschrieben.

Klaus Voormann

Als ich die Titelzeile "Mein Leben" las, dachte ich zuerst an einen wirklich alten Haudegen, sagen wir: vom Schlage Jopie Heesters. Dann blickte ich auf das Foto und dachte: Reinhard Mey. Aber: Das ist ja der Eric!

Klaus Voormann (Foto: Foto: Catherina Hess)

Eric Claptons ganzes Leben auf schlappen 335 Seiten? Reicht das aus? Eric gehört für mich zu meinen ganz persönlichen Musikerlegenden, und zweifelsohne gehört er zu den besten der besten Gitarristen. Den besten gibt es für mich nicht, denn neben handwerklichem Können zählt eben auch noch der individuelle Geschmack. Deshalb muss sich auch ein begnadeter Künstler wie Eric Clapton das best podest - zum Beispiel - mit Jimi Hendrix, Carlos Santana, Mark Knopfler oder John Meyer teilen.

Allerdings hatte Erics Fingerfertigkeit für mich immer schon etwas magisch Unwirkliches. Da liegt der Verdacht nahe, dass Robert Johnsons teuflischer Gitarrendeal an einer anderen Straßenkreuzung mit Eric Wiederholung fand. Das bekannte Graffito "Clapton is God" muss ja diesbezüglich kein Widerspruch sein. Im Gegenteil.

Oder will er sich nicht erinnern?

Um auf dieser Welt zu göttlichen Attributen zu gelangen, die wiederum von bewundernden Menschen verliehen werden, muss man überdurchschnittliche Fähigkeiten haben. Neben Talent und Disziplin, viel Ehrgeiz - und eine gute Portion Egozentrik.

Ich bin keine Leseratte, das habe ich mit anderen Legasthenikern so gemein. Aber Eric Claptons bewegtes Leben, und das laut Verlagswerbung "offen, ehrlich und schonungslos" - das macht mich als ehemaligen Musikerkumpel in der Plastic Ono Band (1969), beim "Concert for Bangladesh" (1971) und bei vielen Studiosessions doch etwas neugierig. Ist Clapton auch so offen, ehrlich und schonungslos mit dem Kollegen und Privatmenschen Eric?

Beim Lesen muss ich ehrlich gesagt öfter mal seufzen. Der scheint sich wohl an nicht allzu viel zu erinnern, zumindest was eine gewisse Zeitspanne in der ersten Hälfte seines Buches betrifft. Oder will er sich nicht erinnern? Motto: die für mich wichtigen Stories ins Töpfchen, die für mich unbequemen ins Kröpfchen. Aber es ist sein Buch, mit Geschichten, die für ihn Bedeutung haben.

Wahnsinnig werden vor Schmerz

Seine nüchterne, ja sachliche Art zu erzählen überrascht mich nicht. In diesem Buch kommt ständig ein Musiker zur Tür herein, ein anderer geht, dann kommt ein Dritter. Man könnte fast meinen, dass Erics Humor und seine Selbstironie beim Schreiben in den Gitarrenkasten gesperrt wurden. Die Ausdrucksweise, vor allen Dingen bezüglich seiner Frauengeschichten, wirkt manchmal sehr einfach. Was den Tod seines Sohnes Conor betrifft, da berührt mich seine distanzierte Beschreibung hingegen sehr, vielleicht gerade deshalb.

Ich kann gut verstehen, dass man ein Ereignis, das an Traurigkeit nicht zu überbieten ist, nur mit einer gewissen Selbstschutzmauer zu Papier bringen kann. Ich erinnere mich noch gut an diesen Unfall im März 1991. Mein jüngster Sohn war damals zwei Jahre alt. Ich habe von der Tragödie in der Zeitung gelesen. In der Nacht danach schlich ich zu unserem kleinen Sohn ins Bett und hielt ihn fest an mich gedrückt. Ich dachte immer wieder, der Eric muss wahnsinnig werden vor Schmerz.

Ich frage mich oft, für wen Biographien geschrieben werden. Für die Leser, für die Kollegen oder für den Protagonisten selbst? Diese Frage ging mir jetzt wieder bei Eric durch den Kopf, als ich feststellte, dass die ausführlichen Beschreibungen über seine Liebe zu Alice Ormsby-Gore viel mehr Platz in seinem Buch einnehmen als zwei der größten Meilensteine in der populären Musikgeschichte - und dies wirklich unabhängig davon, dass ich selbst nun mal daran teilgenommen habe.

Auf der nächsten Seite lädt Klaus Voormann einen alten Brummbären zum Waldlauf ein.

Ich spreche natürlich von unseren gemeinsamen Konzerten in Toronto mit John Lennons Plastic Ono Band und George Harrisons "Concert for Bangladesh" in New York. Selbst diese minimalen Beschreibungen dieser Ereignisse zeigen zusätzliche Lücken. Dass wir alle im Flugzeug nach Toronto nicht in der Business Class, sondern stinknormal in der letzten Economy-Reihe saßen, das sieht man sogar auf dem Foto, das mindestens tausend Mal rings um den Erdball veröffentlicht worden ist und auf dem wir mit unseren Instrumenten sitzen und schon mal ein bisschen üben.

Künstler und Neider

Alan White neben mir, die Drumsticks auf seinem Oberschenkel, mein 'rausragender Bassgitarrenhals, ich immer darauf bedacht, damit nicht aus Versehen eine der kichernden Stewardessen aufzugabeln. Eric am Fenster, neben John. Hat er das alles vergessen? Wie Yoko auf der Bühne aus dem Sack krabbelte? Ihr Urschrei, der uns alle ziemlich schlagartig wieder nüchtern werden ließ? Mensch Eric, warum hast du nicht mal angerufen und gefragt! Klaus, hilf mir mal auf die Sprünge, wie war das gleich wieder damals, mit John und Yoko in Toronto, oder in New York mit George?

Diese Jahre erscheinen heute als eine einzige große Lücke in seinem Erinnerungsvermögen. Ich kann mir gut vorstellen, dass der disziplinierte Perfektionist Clapton wütend über die verlorene Zeit ist, und dass er sich auch schämt. Irgendjemand fragte mich, ob es damit zu tun haben könnte, dass das in Toronto und New York nun mal Johns und Georges Projekte waren, dass es also deren Musikgeschichte ist.

Eric ist ein begnadeter Künstler, aber als Mensch ist er eben auch ein Neider, ehrgeizig und verschlossen. Das schreibt er ehrlicherweise sogar selbst. Eric, der Gitarrengott, aber als musikalischer Leiter des "Concert for George", in Erinnerung an unseren wunderbaren gemeinsamen Freund George Harrison im Jahre 2003 in der Londoner Albert Hall - da war er tatsächlich nicht in der Lage, seinem langjährigen Kumpel Klaus persönlich zu sagen, dass der bei "My Sweet Lord" die Bühne verlassen soll. Dies überließ er damals einem peinlich berührten Assistenten. Ja, ganz ehrlich: Das hat mich getroffen.

Mit diesem Eric, denke ich, muss der Gitarrengott Clapton klarkommen, und sei es: irgendwann. Sein übertriebener Perfektionismus erklärt womöglich auch sein großes Bedürfnis, sich immer entschuldigen zu müssen, für seine, wir er oftmals glaubt, nicht optimale Leistung. Das "Concert for Bangladesh" ist ein gutes Beispiel dafür. Unzufrieden mit seinem Beitrag damals, schiebt er das heute auf die falsche Gitarrenwahl. Dabei spielte er an diesem Abend großartig! Diese alte Veranlagung zur Selbstbestrafung, die lese ich immer noch aus den Zeilen seines Buches.

Ich, die Gitarre und mindestens fünf Autos

Für mich ist und bleibt bei alldem ein so außergewöhnlicher Musiker, vor dessen Kunst und Können ich meinen Hut ziehen würde, (vorausgesetzt, ich hätte einen). Hinter den Kulissen aber hätte ich mir bei Eric vielleicht etwas weniger Verbissenheit gewünscht und ja, auch etwas mehr von der Lockerheit seiner großen Vorbilder, wie zum Beispiel der unseres famosen und sehr coolen Kumpels J.J. Cale.

Im Epilog des Buches entsteht für mich dann so ein bisschen das Gefühl, jetzt müssen noch ein paar altersweise Worte fließen. Motto: "Ich, die Gitarre und mindestens fünf Autos". Mit 62 Jahren fangen viele von uns schon an, das Nachwort des Lebensbuchs zu schreiben, bevor man dann beginnt, die Koffer zu packen für die endgültig letzte Reise. Es kann aber auch an meiner Leseschwäche liegen, dass mich Erics Epilog etwas verwirrt.

Was haben bloß die ganzen umgebauten Autos zwischen Stevie Ray Vaughan, Buddy Guy und Robert Cray zu suchen? Auch erscheint es mir etwas befremdend, über Eric Claptons Rückenschmerzen zu lesen und darüber, dass er nicht mehr so auf dem Damm sei wie früher und er sich nichts Schlimmeres vorstellen kann, als auf die Bühne zu gehen, wenn er nicht in Form ist. Eine Seite davor weist er darauf hin, wie faul, unsportlich, kein bisschen fit, gleichzeitig aber stolz er sei, ein alter Brummbär zu sein.

Also Eric, jetzt hör mal!

Beweg Deinen alten gitarrengöttlichen Brummbärhintern und lass uns ein paar Runden durch den Wald laufen! Ich werd' bald 70 - und bin fit wie ein Turnschuh! Der Buchtitel "Eric Clapton - Mein Leben", das klingt für mich endgültig, nach Abschluss, und das soll es doch wirklich nicht sein. Eric, ich will noch viele neue Songs von Dir hören, ich will weiter dein Spiel auf der Gitarre bewundern.

Und vielleicht schreibst Du ja noch ein Buch. Stoff genug gäbe es. Mit oder ohne Toronto.

Der zweifache Grammy-Gewinner Klaus Voormann war zusammen mit Eric Clapton Gründungsmitglied der Plastic Ono Band. Zusammen spielten sie für George Harrisons "Concert for Bangladesh" in New York sowie im Studio unter anderem auf George Harrisons legendärer Soloplatte "All Things Must Pass". Voormanns Diskographie liest sich wie das Who-is-Who der Rock- und Popmusik. Seine Cover-Illustration der Beatles-Platte "Revolver" gilt als Meilenstein. 2004 veröffentlichte er seine Erinnerung an die bewegten 60er und 70er Jahre unter dem Titel: "Warum spielst Du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John?" im Heyne Verlag. Eric Claptons Biographie "Mein Leben" ist in diesen Wochen bei "Kiepenheuer & Witsch" erschienen.

© SZ vom 17./18.11.2007/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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