Klassik:Leuchtender "Don Giovanni"

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Die Bamberger Symphoniker beglücken die Hamburger Elbphilharmonie

Von Egbert Tholl, Hamburg

Beim ersten Erleben der Elbphilharmonie war dort das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons zu Gast, spielte Schostakowitsch, und Mark Padmore sang den "Padmore Cycle" von Thomas Larcher - das akustische Ergebnis war staunenswert. Wenige Monate später: der gleiche Sitzplatz, aber Kent Nagano führte mit dem Hamburger Opernorchester Schönbergs "Gurrelieder" auf - ein niederschmetterndes Erlebnis. Nun machten die Bamberger Symphoniker in der Elbphilharmonie das, was dem bisherigen Anschein nach dort am schlechtesten funktioniert: konzertante Oper. Aber wiederum, gehört vom Platz rechts außen im Parkett, erweist sich der Abend als reines Glück.

Dass überhaupt eine konzertante Aufführung des gesamten "Don Giovanni" von Mozart funktionieren kann, verblüfft. Dreieinhalb Stunden, keine Übertitel, und auch wenn man das Werk gut kennt, weiß man nicht in jedem Rezitativ, wovon konkret die Rede ist. Nun, hier ahnt man es zumindest sehr deutlich, vor allem wenn Leporello und Don Giovanni selbst miteinander zanken. Tareq Nazmi ist ein wunderbarer Leporello; er hat vom ersten Auftritt an seinen Job satt, erfüllt die Wünsche seines Chefs mit überlegenem Widerwillen. Nazmi hat von Natur aus eine grundsympathische Ausstrahlung und verfügt über einen profunden Bass; hier spielt er und singt leicht, agil, es ist herrlich. Und Don Giovanni ist Christian Gerhaher. Vor dreieinhalb Jahren gab er sein Debüt als Mozarts großer Verführer, an der Oper Frankfurt, in der von Christof Loy inszenierten, Studie eines alten Don Giovanni, der alles erlebt hat. Ein bisschen davon ist nun in Hamburg zu spüren. Gerhahers Don Giovanni ist zynisch, ist garstig zu Leporello, weiß alles über Verführung, hat aber nur noch selten Lust dazu. Singt Gerhaher das Ständchen unterm Balkon, dann spielt hier einer, der das tausendmal gemacht hat, noch einmal den Verführer, wie eine Theaterszene auf dem Theater, obwohl hier ja gar kein Theater ist, sondern "nur" ein Konzertsaal. Gerhaher singt Rezitative, wie ein sehr guter Schauspieler Texte spricht. Witzig ist er auch: Immer wenn die donnernde Layla Claire als Donna Elvira auftritt, versteckt sich der eher zarte Mann hinter dem großen Tareq Nazmi.

Nicht nur die Gestaltung der Rezitative hat eine ungeheure theatralische Plastizität. Die Besetzung ist ohnehin weitgehend großartig mit etwa dem hinreißenden Martin Mitterrutzner als Don Ottavio. Alle wuseln rings um das Orchester herum, schaffen Räume und heben auch ein bisschen das Ungleichgewicht zwischen den Plätzen auf. Hinterher hört man von im Raum verteilten Zuhörern auch wenig Begeistertes über die Akustik. Aber selbst kann man ja nur vom eigenen Eindruck sprechen, und der ist wegen der Bamberger und ihrem Chef Jakub Hrůša großartig. Hrůša begreift in Windeseile, wie man hier spielen muss, exakt, hell, klar. Die Musik kriegt Luft, viele Farben, viel Licht. Spitzenorchester können hier brillieren, kommen auch gegen die extreme Weinberg-Situation an. Aber man muss sehr genau wissen, was man hier tut.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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