Klassik:Der Orient beginnt im Chiemgau

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Das Morgenstern Klaviertrio spielt bei den Traunsteiner Sommerkonzerten Werke von Mozart, Schumann, Frank Bridge und "Dönüsümler" von Ilhan Baran. (Foto: oh)

Die Traunsteiner Sommerkonzerte widmen sich in diesem Jahr Werken klassischer türkischer Komponisten - wie immer gespielt von hervorragenden Ensembles

Von Egbert Tholl

Es ist ein bisschen gefährlich, über den Chiemgau zu schreiben, weil dort sehr aufmerksame Zeitungsleser wohnen. Beim letzten Versuch wurde aus dem Chiemgau das Chiemgau - und man konnte sich nicht über einen Mangel an Zuschriften beschweren. Vielleicht ruft obige Überschrift ähnliche Reaktionen hervor, diesmal möglicherweise, weil die Türkei nicht gleich Orient ist. Wobei: Fragt sich, ob links oder rechts vom Bosporus. Wie auch immer: Als exotische Sehnsuchtsprojektion taugt Erdoğans Staat derzeit ja ohnehin schlecht.

Aber um den geht es auch gar nicht, eher um die junge moderne Türkei Atatürks. Also um eine Zeit, die knapp 100 Jahre zurückliegt. Damals erhielten junge, talentierte Musiker Stipendien, um im Ausland Komposition, also westliche Kunstmusik zu studieren. "Die türkischen Fünf" sind in die Musikgeschichte eingegangen, Hasan Ferit Alnar, Necil Kazim Akses, Cemal Resit Rey, Ulvi Cemal Erkin und Ahmed Adnan Saygun. Sie studierten in Wien, Prag, Paris, kehrten in die Türkei zurück, wurden zu Lehrmeistern einer neuen nationalen Schule der Musik und wirkten am Aufbau des türkischen Musiklebens mit. Nun kann man einige Werke von ihnen hören, vom 1. bis zum 7. September bei den Traunsteiner Sommerkonzerten.

Der Schwerpunkt des diesjährigen Programms ist erstaunlich. Maßgeblich beteiligt daran dürfte Fazil Say sein, Pianist, Komponist und ziemlich großer Star, der nun bereits zum zehnten Mal nach Traunstein kommt - offenbar schätzt er die wunderbare Intimität der Konzerte in der ehemaligen Kirche des Kapuzinerklosters dort. Say stellt in seinem Konzert am 6. September eigene Werke denen oben genannter Komponisten gegenüber. Der Schott Musikverlag meinte mal über ihn: "Es ist Musikern wie dem türkischen Pianisten Fazil Say zu verdanken, dass im Westen weitgehend unbekannt gebliebene Werke inzwischen auch den Weg auf internationale Konzertpodien finden." So entsteht ein Bewusstsein, dass sich jenseits Mitteleuropas eine eigenständige Moderne herausgebildet hat - wenn auch teils inspiriert von Einflüssen aus dem Westen. Es dürfte spannend werden zu sehen, wie es sich anfühlt, wenn Mozart, Schumann oder Brahms auf türkische Stücke treffen, die in unterschiedlicher ästhetischer Entfernung zu ihnen stehen, gespielt von tollen Musikern wie Maximilian Hornung, dem Armida- oder dem Minetti-Quartett.

Traunsteiner Sommerkonzerte , 1. bis 7. 9., touristinfo@stadt-traunstein.de

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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