Klassik:Brückenbauer

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Howard Arman wird Leiter des BR-Chors

Von Rita Argauer, München

Es sind Zeiten, in denen vom Zustand der Menschen gerne in Metaphern gesprochen wird, die ihre Haut betreffen. Man solle sich ein dickes Fell zu legen und das Leid der Welt nicht zu nahe kommen lassen. Allein deshalb ist es ein schönes Statement von Howard Arman, dem designierten künstlerischen Leiter des BR-Chors, wenn er von seinem Programm für die kommende Saison verlangt, es solle "die Haut dünn machen".

"Krieg und Frieden" heißt das Motto, "und das ist nicht als Predigt gemeint", sagt Arman, "aber Musik kann Menschen wieder sensibilisieren, vor allem, wenn sie zunehmend der Betroffenheit gegenüber resistent werden". So steht der 1954 geborenen Brite für Empathie in zunehmend unruhigeren Zeiten, aber schafft auch einen künstlerischen Brückenschlag für das Vokal-Repertoire der Musik-Geschichte, das so oft für den sakralen Kontext geschrieben wurde und in Armans Programm für die Saison 2016/17 mit der säkularen Gegenwart verknüpft wird.

Howard Armans Programmgestaltung, in der Schönbergs "Friede auf Erden" als Klammer im ersten und letzten Abo-Konzert des Saison erklingen wird, stützt sich dabei auf drei Punkte: Die Auseinandersetzung mit den großen Chorwerken der Geschichte, das Ausgraben zu Unrecht vergessener Werke und die Uraufführungen zeitgenössischer Musik. Ziemlich allumfassend ist das als Konzept, das aber aufgehen dürfte, wenn etwa die weniger bekannten englischen Komponisten Vater und Sohn Wesley ihrem Zeitgenossen Mendelssohn gegenüber gestellt werden, oder eine "Missa brevis" von Wolfgang Rihm als Auftragswerk uraufgeführt wird. Man habe sich eben auch für Arman als Nachfolger von Peter Dijkstra entschieden, wegen dessen "künstlerischer Bandbreite und Vielseitigkeit als Dirigent, Arrangeur, Komponist und Programmgestalter", sagt Susanne Vongries, die Managerin dieses ältestens Klangkörpers des Bayerischen Rundfunks.

Das zu feiern gilt es jedoch noch in der laufenden Saison: Am 1. Mai 1946 fand die erste Live-Ausstrahlung eines Konzerts des Chores statt, politisch ganz direkt mit Liedern zum Tag der Arbeit. Aus dieser ersten halben Stunde wird am Jubiläumstag ein ganzer Tag Sendezeit auf BR-Klassik mit Konzertmitschnitten und Hör-Dokumentationen. Flankiert wird der Geburtstag von zwei Konzerten: Am Freitag, 8. April, spielen das Symphonieorchester des BR und der Chor unter ihrem Chef Mariss Jansons berühmte Opernchöre. Am Freitag, 22. April, erklingt dann unter dem derzeitigen künstlerischen Leiter Peter Dijkstra Bachs h-Moll-Messe. Dijkstra selbst wird nach dem Abschied "seine Karriere fortsetzen", wie es der BR-Hörfunkdirektor Martin Wagner trocken ausdrückt, obwohl es "im Herzen des Chors", laut Managerin Vongries, etwas wärmer formuliert, "Platz für zwei gibt". Denn man will in Verbindung bleiben mit Dijkstra, der dem Chor nun zehn Jahre als künstlerischer Leiter vorstand.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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