Kirche, Kino, Marketing:"Ein kleiner Kreuznagel am Hals, das ist ein Glaubensbekenntnis."

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Ein Gespräch mit Constantin-Vorstand Thomas Peter Friedl über die Kinoauswertung der "Passion Christi" in Deutschland.

Der Karfreitag war vorgesehen für den Deutschlandstart von Mel Gibsons "Passion Christi", nach dem Erfolg am ersten US-Wochenende wurde der Termin vorgezogen. Thomas Peter Friedl, Vorstand der Constantin Film, erläutert, wie man den Glauben heute (wieder) ins Kino bringen kann.

SZ: Wann haben Sie den Film gekauft?

Thomas Peter Friedl: Ich glaube, wir waren weltweit der erste Verleih. Wir haben ihn in einer Rohfassung im Oktober in Rom gesehen - da war überhaupt nicht klar, dass es so ein Erfolg werden wird. Das war ein Film, der uns beeindruckte, den wollten wir ins Kino bringen.

SZ: Bei "Luther" waren alle happy, der war eine Art Werbefilm fürs Glaubensbekenntnis. Wie reagiert die Kirche nun auf diesen so ganz anderen Film?

Friedl: Es gibt da einen bunten Strauß sehr kontroverser Meinungen. Ich dachte eigentlich, dass die Kirchen im ganzen positiv auf die Tatsache des Films reagieren müssten. Das Thema Kirche und Christus ist in einer Form wieder in die Diskussion gekommen, wie das in den letzten zwanzig Jahre durch nichts Vergleichbares passiert ist. Da wundert mich schon, wie schwer man sich teilweise tut, traditionelle Muster zu verlassen, mit was für einer Ignoranz das Thema von einigen behandelt wurde. In der breiten Masse wird mit dem Film sehr vielschichtig gearbeitet, Homepages werden eingerichtet, ich bekomme Dutzende E-Mails von Pfarrern, zu Sonderaktionen. Nur einige wollen sich gar nicht damit auseinandersetzen, die haben sich geäußert, ohne den Film gesehen zu haben.

SZ: Wird es Sondervorführungen für Gruppen oder Schulen geben?

Friedl: Es gibt eine immense Nachfrage, Gemeinden, die einen gemeinsamen Kinobesuch organisieren, mit Diskussion danach oder Gottesdienst. Es wird eine zweite Schiene geben von Schulvorstellungen, die sich, aufgrund der Altersfreigabe ab 16, nur an die Oberstufe richten - anders als bei "Luther". Das wird nach Ostern losgehen, nach den Ferien. Da gibt es eigene Informationspakete, die wir an die Lehrer geschickt haben.

SZ: Hat es schon Feststellungen zur Gewalt in diesem Film gegeben?

Friedl: Das Leiden ist im Lauf der jahrhundertelangen Darstellungen in der Kunst irgendwie verharmlost worden. Heute hängt das Kruzifix an der Wand und die Leute können sich gar nicht vorstellen, was für ein Martyrium das gewesen ist. Das kann man nicht andeuten mit ein, zwei Peitschenhieben.

SZ: Es wäre aber denkbar, dass Leute den Film mehrfach durchexerzieren.

Friedl: In Amerika ist das passiert, die exit polls, die Zuschauerbefragungen nach dem Kinobesuch, haben eine extrem hohe Mehrfachbesucher-Rate ergeben. Leute, die am zweiten Wochenende das zweite, dritte Mal drin waren. Und sicher war das keine Horror-Hardcore-Gemeinde.

SZ: Sie starten mit 400 Kopien. Was erwarten Sie fürs erste Wochenende?

Friedl: Schwer zu schätzen. In Amerika sind die Kirchen ja straff organisiert, haben alle ihre eigene Marketingabteilung, ihre Unterstützervereine. Die hatten ganze Kinokomplexe am Starttag gebucht. Die waren massiv für die Zahlen am ersten Wochenende verantwortlich. In Deutschland gibt es das nicht, die Kirche steckt, was das offensive Marketing angeht, noch in den Kinderschuhen. In Amerika ist das neben den Sportgemeinden die größte gesellschaftliche Verflechtung, echter Gemeinschaftsgeist. Ich denke, es wird auch bei uns am ersten Wochenende ausverkaufte Kinos geben, das könnten dann bis zu 500000 Besucher werden. Was wir nicht übernommen haben, sind die Merchandising-Artikel. Die laufen wirklich gut in Amerika. Aber für Amerikaner ist Merchandising eine ganz normale Sache. Ein kleiner Kreuznagel am Hals, das ist ein Glaubensbekenntnis.

Interview: F. Göttler, S. Vahabzadeh

© SZ v. 17.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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