Kino: Rufmord - The Contender:Unter Haien

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Das Lehrstück für politische Moralisten - Jeff Bridges im Film "Rufmord - The Contender"

FRITZ GÖTTLER

Der Schreiber Bartleby kommt einem in den Sinn, wenn man diesem Film folgt, immer wieder, es steckt eine kräftige Prise seines "I would prefer not to" darin - jenes eigenartigen widerspenstigen Satzes, mit dem Herman Melvilles Held zur Legende wurde, als viel geliebter Trotzkopf der Postmoderne.

Joan Allen ist Senator Hanson in Rod Luries "The Jontender" (Foto: N/A)

Ein Held natürlich, der mit seinem Verhalten selbst den Heldenstatus in Frage stellt, und genau darum geht es auch in diesem Film, der uns die Geheimnisse von Washington offenbart, der Politik genauer gesagt, die dort gemacht wird. Ein Held bemüht sich zum Beispiel der Gouverneur Hathaway zu werden, als er, in der ersten Szene, eine Frau retten will, die mit ihrem Wagen in einen See stürzt. Die Aktion geht schief, und das in jeder Hinsicht. Die Frau kann Hathaway nur noch tot aus dem Wasser ziehen, und weil das allzu heftig an Chappaquiddick erinnert - Senator Ted Kennedys Unfall im Jahr 1969 -, ist Hathaway aus dem Rennen um die Vizepräsidentschaft. Der Präsident - Jackson Evans, gespielt von Jeff Bridges - kann seinen Wunschkandidaten ins Spiel bringen - die Senatorin Laine Hanson, Ohio, gespielt von Joan Allen. Auf Herz und Nieren wird sie nun geprüft, vom Komitee des Repräsentantenhauses, und vor allem auf ihr Sexualleben, vom Vorsitzenden, Senator Runyon (Gary Oldman). Er bringt Fotos daher von einer Studentenfete, auf der ein Mädchen oral zwei Jungs bedient. Ob es sich um die Senatorin handelt bei dieser Studentin, will er wissen. Dass ihr privates, ihr sexuelles Leben ihn und die Öffentlichkeit nichts angeht, kontert die Senatorin. Ein Fall von sexuellem McCarthyismus, und bald geht es auch noch um Fragen wie Abtreibung und eheliche Treue.

Es ist nicht Rebellion, die hier zum Ausdruck kommt, eher eine amerikanische Form der Renitenz, der Resistenz. Ein Widerstand, der sich in Haltung eher formt als in einzelnen Aktionen. Kurz darauf treffen sich die beiden Gegenspieler in einem Restaurant. Hanson hat sich verspätet, und Runyon ist bereits am Essen, er schnippelt an seinem Porterhouse Steak herum, mit einer Leidenschaft, wie man sie aus Lubitsch- und Hitchcockfilmen kennt, und versucht die Kollegin zu ebensolchem Tun zu bewegen. Die Senatorin aber widersetzt sich seinem Drängen, besteht auf Penne und verlässt schließlich, weil die Meinungsdifferenzen zu groß sind, vorzeitig den Tisch.

Einen ähnlichen Widerstreit gibt es im Weißen Haus, den täglichen Kampf des Präsidenten mit seinem unsichtbaren Küchenchef, der durch keine spontane Bestellung in Verlegenheit zu bringen ist - Coq au vin, ein Haifisch- Sandwich -, der aber Probleme hat mit einem Münsterkäsesandwich. Jeff Bridges genießt es, sich als der Gourmet unter den Hollywoodpräsidenten zu präsentieren, und lässt dabei Travolta, in "Primary Colors", oder Gene Hackman, in "Absolute Power", fast altbacken aussehen. Selbst die Erinnerung an Robert Redford blasst ein wenig ab, der als Bill McKay der Kandidat bislang den Leinwandliberalismus verkörpert hatte - mit Redford hat der Regisseur Rod Lurie im vorigen Jahr den Film "The Last Castle" gemacht.

Politik ist Sport in Washington, und in diesem Sinne stellt der Film seine Vertrauensfrage. Vertrauen kann nur funktionieren, wenn es Ungewissheit gibt, einen blinden Fleck, der nicht verschwinden kann im Umgang mit den anderen. Und um den es immer wieder geht, wenn das Kino seine Dialektik entwickelt von Sein und Schein, in der die Oberfläche mehr zählt als die Charaktertiefe.

Auch Politik hat mit Charakter natürlich wenig zu tun, sehr viel dagegen mit Professionalität, das macht vor allem Jeff Bridges sichtbar, der meistens ziemlich entspannt und locker ist. Und dessen Haifischlächeln dabei nie verhehlt, dass er kräftig zuschnappen wird, wenn es sein muss. Er macht seine Politik unter Einsatz aller rhetorischer und manipulativer Tricks, aber er traut sich Spaß daran zu haben. Der Film ist ein Produkt der acht Clinton- Jahre, und erklärt den liberalen Manierismus zum Konzept. Das hat dem Regisseur den Vorwurf der Naivität, der Schamlosigkeit eingebracht - er hat den Film "unseren Töchtern" gewidmet! Aber sollten nicht - Spielberg hin, Capra her - alle, die gezwungen sind Schröder oder Bush zu wählen, glücklich sein für zwei Stunden mit Bridges for President? Erst am Ende hat Lurie dann doch die Nerven verloren. Da hocken der Präsident und seine Senatorin auf dem Rasen vor dem Weißen Haus und sie erzählt ihm, wie das wirklich war in der Studentenzeit - was diesen Film zu dem macht, was der Philosoph Stanley Cavell comedy of remarriage nannte. Aber das Vertrauen hat sein stärkstes Moment verloren, das Nichtwissen. Und der Film hat seine Figuren verkauft an die Intrige.

THE CONTENDER, USA 2000 - Regie, Buch: Rod Lurie. Kamera: Denis Maloney. Musik: Larry Groupé. Schnitt: Michael Jablow. Mit: Jeff Bridges, Joan Allen, Gary Oldman, Christian Slater, William Petersen, Philip Baker Hall, Saul Rubinek. Helkon/Buena Vista, 126 Min.

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