Kino: Rowan Atkinson ist:Johnny, der Depp

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Auch eine Parodie will durchdacht sein - Rowan Atkinson mimt James Bond und ist doch nur "Johnny English".

ANKE STERNEBORG

Er gehört zu den Komikern, die nicht von Natur aus komisch sind. In seiner Jugend hat er ein Studium als Elektrotechniker absolviert - und der komische Instinkt ist bei ihm immer mit einem sehr analytischen und methodischen Sinn für Ursache und Wirkung gepaart.

(Foto: SZ v. 10.04.2003)

Wenn man dem schlaksigen Mann im Gespräch gegenübersitzt, hat er die typischen Atkinson-Merkmale abgelegt - die sonst weit aufgerissenen Augen sind gelassen geöffnet, die abstehenden Ohren angelegt, die tiefen Fragefurchen auf der Stirn geglättet und die kecke Nase diskret zurückgenommen. Nur manchmal, wenn er für Sekunden beim Nachdenken die Lippen schürzt und vor sich hin pustet, kommt der andere - der Alien, wie er es selber nennt - zum Vorschein: Mr. Bean, das anarchistisch naive Kind, das von England aus die Welt erobert hat.

"Johnny English" ist der zweite Spielfilm, den Rowan Atkinson mit seinem Charakter in der Hauptrolle prägt, im Gegensatz zu Randerscheinungen in Filmen wie "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und "Ratrace". Wie der vor seinem Kinoauftritt jahrelang als Fernsehserienheld erprobte Bean ist auch der Agent Johnny English ein langjähriges Mitglied der kleinen Familie wiederkehrender Atkinson-Charaktere - zu denen auch noch der plappernde Soldat Blackadder gehört. Johnny English wurde 1991 in einer Reihe von Werbespots für die Kreditkarte Barclaycard eingeführt

Im Kontrast zu schrillen amerikanischen Agentenparodien wie "Austin Powers" oder "I Spy", aber auch zum augenscheinlich trotteligen Kunstreisenden Bean nimmt Atkinson diesen Agenten im Geiste von 007 ausgesprochen ernst: "Ich sehe den Film gar nicht als Parodie im klassischen Sinn. Diese Figur interessierte mich, gerade weil er ausgesprochen überzeugend wirkt. Man traut ihm zu, wirklich gut zu sein, bevor sich dann herausstellt, dass er unglaubliche Fehler macht."

All die zappeligen, schusseligen Versager, die Rowan Atkinson in den vergangenen zwanzig Jahren gespielt hat, hätten kaum vermuten lassen, dass er einmal in die distinguierte Erscheinung eines smarten, gut angezogenen Agenten schlüpfen könnte. Umso effektvoller dann die unvermeidlichen Ausrutscher - angefangen mit dem schwungvoll geworfenen Mantel, der am Kleiderständer vorbei zum Fenster hinausfliegt. Statt den Film auf eine Nummernrevue zu reduzieren, entwickelt er eine sorgfältig durchdachte Bond-Hommage: "Ich glaube, dass man für ernste Rollen das gleiche Handwerkszeug und dieselben Instinkte benutzt, wie für die Komödie."

Johnny Englishs Mission besteht darin, England vor der Übernahme durch einen selbstgefälligen französischen Adligen (John Malkovich) zu bewahren. Statt diese Aufgabe zu erledigen, betreibt er dann aber eine systematische Selbstdemontage, in einer Reihe von Situationen, die so aberwitzig peinlich sind, dass man zusammen mit dem gebeutelten Mann im Boden versinken möchte. Man kann, so Atkinsons Konzept, im Kino und auf der Bühne seine schlimmsten Albträume durchspielen - in der Hoffnung, dass sie im Leben niemals wahr werden: "Mir machen Peinlichkeiten richtig Spaß. Man muss mutig sein und die Grenzen ausloten, aber immer aufhören, kurz bevor man die Leute ernsthaft verstört."

Als Komödiant, der es gewohnt ist, auf Rhythmus und Timing zu achten, wird er unweigerlich zum heimlichen Ko-Regisseur, der auch im Schneideraum allgegenwärtig ist: "Ich möchte in jeder Stufe der Produktion Einfluss haben - der Film muss meine Sensibilität reflektieren. Glücklicherweise war Peter Howitt, der Regisseur, da sehr tolerant."

Seinen internationalen Erfolg hat Rowan Atkinson auf unaufgeregt englische Weise durchaus kalkuliert. "Bei einem Besuch in Venedig, 1985, beobachtete ich ganze Scharen von Norwegern, die in den Straßen rumliefen und Poster von David Bowie, Phil Collins und Duran Duran kauften. Ich fand es damals sehr interessant, dass das Musikgeschäft im Unterschied zur Komödie ganz selbstverständlich ein internationales Publikum anspricht. Und ich war überzeugt, dass auch die moderne Komödie diese Ländergrenzen sprengen könnte, wenn sie wie einst Stan Laurel, Oliver Hardy und Charlie Chaplin visuell angelegt ist. Aus diesem Gedanken heraus habe ich den Bean-Charakter entwickelt."

Den Verheißungen Amerikas begegnet er mit einer Mischung aus britischem Understatement und blasiertem Desinteresse: "Ich bin an einer amerikanischen Karriere nicht interessiert, und möchte auch auf keinen Fall in Los Angeles leben. Im Gegensatz zu den Engländern lassen die Amerikaner auf wunderbare Weise jeden Zynismus vermissen, sie haben eine phantastische Energie, eine freudige Erregung des Filmemachens, die ich liebe. Was mich kalt lässt, ist die Leere des Showbusiness, der hohle Hype um Berühmtheit."

JOHNNY ENGLISH, GB 2003 - Regie: Peter Howitt. Buch: William Davies, Neal Purvis, Robert Wade. Kamera: Remi Adefarasin. Mit: Rowan Atkinson, Ben Miller, John Malkovich, Natalie Imbruglia. UIP, 90 Minuten.

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