Kino: Monsoon Wedding:Glück auf Bestellung

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Mira Nairs Film "Monsoon Wedding" zelebriert einen farbenprächtigen indischen Hochzeitsrausch

Doris Kuhn

(SZ vom 22.04.2002)- Ich will zur Ruhe kommen, sagt Aditi, 22 Jahre alt, zu ihrer Cousine Ria, und das sei der Hauptgrund, dass sie nun heiraten werde. Die Ehe wurde, ganz traditionell, von den Eltern arrangiert, weshalb sie ihren Verlobten noch kaum persönlich kennt - gerade dies sollte die ersehnte Ruhe garantieren, weil mit großer Leidenschaft in diesem Fall wohl nicht zu rechnen sei. So versucht Aditi unter dem Spott der weniger konventionell gesinnten Cousine sich auf die kommenden Ereignisse einzustimmen, und doch irren sich beide Mädchen mit ihren Prognosen. Nach Aditis Hochzeit und dem dazugehörigen Familienfest werden sich mehr Dinge geändert haben als nur der Name der Braut.

In berauschenden Farben und Bildern wird die traditionelle indische Vermählung inszeniert. Der opulente Film gewann bereits den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig. (Foto: Fotos: USA Films)

Mira Nairs Film "Monsoon Wedding", der bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen gewann, beschäftigt sich mit einem der größten Ereignisse im Leben einer indischen Familie, und er tut das mit der angemessenen Opulenz. Es geht um die traditionelle Vermählung der einzigen Tochter einer wohlhabenden Familie in Delhi. Der finanzielle Hintergrund ist absolut entscheidend, er bestimmt die Größenordnung der Feierlichkeiten. Entsprechend üppig fallen hier schon die Vorbereitungen des Festes aus, aus weiter Ferne kommen die Mitglieder des in alle Welt verstreuten Clans. Die Scherereien, die selbstverständlich auftreten, wenn eine große Menge von Verwandten sich plötzlich tagelang am selben Ort aufhalten muss, bieten einen amüsanten Kontrast zur visuellen Pracht der indischen Hochzeit.

Jeder Gedanke an Unterdrückung oder Armut in Indien verpufft natürlich in dieser Atmosphäre großbürgerlichen Trubels. "Monsoon Wedding" beschwört eine Drei-Tages-Party herauf, in deren Luxus und Wärme man genug Westliches findet, um sich zu Hause zu fühlen. Die Fremde wird aufs Pittoreske reduziert. Der Blick auf Delhi, die Zwischenschnitte auf das Stadtleben, die für ein wenig Authentizität sorgen sollen, erlauben nur so viel Andersartigkeit, dass man freundliche Sympathie verspürt für den Charme des Landes.

Nur manchmal, wenn die Menschenmassen auf den Straßen das Bild unvermutet blockieren, regt sich der Verdacht, dass die Realität finsterer sein könnte, als der in Blumen gehüllte Garten der Brauteltern es vermuten lässt. Aber Mira Nair, von der man durchaus sozialkritische Filme kennt, angefangen mit dem Straßenkinder-Melodram "Salaam Bombay", hat ausdrücklich betont, dass sie sich einmal ganz "Bollywood" widmen wolle, der indischen Version des Hollywoodkinos, voll großer Gefühle und folkloristischer Fröhlichkeit.

Trotzdem zeigt "Monsoon Wedding" von Anfang an einen Konflikt, der nicht nur die Kraft und die Spannung des Films bestimmt, sondern der letztendlich auch das große Gefühl - auf dem gerade Hollywood eisern beharrt - tatsächlich ad absurdum führt: Die Hochzeit, um die es hier geht, ist keine Liebesheirat - es handelt sich um eine klassisch arrangierte Ehe, in der zwei Familien ihre Kinder zusammenführen, ohne dass diese sich vorher getroffen hätten. Schön wird gespielt mit dieser Verschränkung von Tradition und Moderne, und dazwischen blitzt immer wieder die große Frage auf nach dem Wesen der Liebe. Beide Ehekandidaten haben schließlich bereits ihre Erfahrungen gemacht, sind oder waren anderweitig verliebt, und versuchen noch im Brautschmuck herauszufinden, ob Gefühle nun eine Art Wunder sind, oder vielleicht doch von Verstand und Erziehung zu steuern.

"Monsoon Wedding" hat alles, was eine gute Party braucht. Die Konflikte sind ernst aber nicht unlösbar, das Glück ist leicht und weitreichend, die Menschen sind schön und liebenswert. Jede einzelne Episode des dreitägigen Festberichts wird verzaubert von der ausgelassenen Musik, vom Luxus der Farben, von der Hingabe der Schauspieler, und zwischendurch wird man durch den saloppen Umgangston der Verwandtschaft wieder auf die Erde zurückgeholt. Gerade die Dialoge machen einen großen Reiz der Geschichte aus, weil hier - in der Originalfassung - in einer Mischung aus britischem Englisch und Hindi gesprochen wird. Man kann der Vollkommenheit dieser familiären Idylle nicht entkommen - und man will es auch gar nicht, je besser die Laune wird. Selten wurden funktionierende Familienstrukturen glamouröser gezeigt, und selten war man stärker davon überzeugt, dass die Idee der Großfamilie durchaus angenehme Seiten haben könnte.

MONSOON WEDDING, Indien 2001 - Regie, Buch: Mira Nair. Kamera: Declan Quinn. Musik: Mychael Danna. Mit Naseeruddin Shah, Lillete Dubey, Vasundhara Das, Shefali Shetty, Vijay Raaz. Prokino, 116 Minuten.

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