Kino: Graf von Montecristo:Das Leben, das ganze

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Kevin Reynolds hat mit dem charismatischen Jim Caviezel wieder mal den Grafen von Montecristo verfilmt

RAINER GANSERA

Rache ist süß. Kein Triumph ist größer als der des Rächers, der unschuldig erlittene Schmach heimzahlen kann. Rache heizt die Fantasie an, kann derart zwingend zur Obsession werden wie keine andere Leidenschaft.

Jim Caviezel und Dagmara Dominczyk in: The Count of Monte Cristo (Foto: N/A)

Die Wunscherfüllungsmaschine Kino liebt Rache-Geschichten, weil sie unser innigstes Verlangen - Ohnmacht in Macht zu verwandeln - bebildern. Gerade erst hat "Ocean's Eleven" eine spielerische Variante erzählt, während "In the Bedroom" oder auch Christian Petzolds neuer Film "Toter Mann" sich tragisch-schicksalhafter Vergeltung widmen. Den klassischen Rache-Urtext hat Alexandre Dumas mit seiner ausschweifenden Fortsetzungsgeschichte "Der Graf von Monte Christo", 1845 bis 1846, verfasst. Das Schicksal des braven Seemannes Edmond Dantes, der durch Verleumdung und Verrat in schrecklicher Kerkerhaft landet, um dann als grandioser Rächer wieder aufzuerstehen, wurde regelmäßig neu verfilmt, meist mit der Betonung auf Action und Ausstattung. In Kevin Reynolds' Adaption erhält die aufwühlende Story eine bezwingend melodramatische Gestalt: brütende Atmosphäre, schleichendes Verhängnis, explodierende Leidenschaft; selbst im Triumphalen haben die Bilder einen Trauerrand.

Reynolds gelingt ein direkt zupackender Genrefilm, der erfreulicherweise keine Zeit hat, den Stoff mit ironischem, parodistischem, campigem Augenzwinkern darzubieten. Er entfaltet ein Panorama all der abenteuerlichen Genre-Motive: artistische Fechtkunst, sadistische Kerkerfolter, dramatische Flucht und Schatzsuche, geheimnisvolles Inkognito, erbitterter Rachefeldzug, intrigenreiche Romanze. Und bleibt zugleich immer nahe am Grundkonflikt, der zwischen bürgerlicher Ehrenhaftigkeit und aristokratischer Gemeinheit aufgespannt ist.

Der bürgerliche Held besitzt einen natürlichen Adel der Seele, während sein Widersacher, adlig von Geblüt, den rücksichtslosen Zynismus der Macht repräsentiert. Mondego (Guy Pearce), Sohn eines Herzogs, beneidet seinen Freund Edmond (Jim Caviezel), Sohn eines Verwaltungsbeamten, weil er tugendhaft und tapfer ist, vor allem aber, weil er die Liebe der schönen Mercedes (Dagmara Dominczyk) gewonnen hat. Anfangs fechten die beiden noch zusammen gegen die britischen Besatzer auf der Insel Elba. Dann wird der naive Edmond als Kurier Napoleons missbraucht - und Mondego findet Gelegenheit, ihn aus dem Weg zu räumen. Des Hochverrats angeklagt muss Edmond dreizehn Jahre in einem Kerker schmachten. Er zählt die Steine der Zellwände, fünftausendeinhundertneunzehn, und ritzt die hoffnungsfrohen Worte ein: "Gott wird mir Gerechtigkeit verschaffen." Gott schickt ihm einen Mentor, der ihn zum gebildeten, wohltrainierten Edelmann erzieht und ihm einen riesigen Schatz vererbt. Unerkannt, als Graf von Monte Cristo, der reichste Mann der Welt, hält Edmond in Paris, wo der böse, snobistische Mondego inzwischen residiert, Einzug. Prächtige Feste veranstaltet er, mit Heißluftballons und Feuerwerk, und unnachsichtig ruiniert er jene, die ihn verraten haben. Schritt für Schritt. Jede Demütigung der Feinde muss ausgekostet werden.

Rache ist süß. Aber dann wird sie bitter. Als eiskalter Rächer verliert Edmond seine Seele. Eigentlich will er ja Glück, Leben, Liebe wiedergewinnen - und verwandelt sich dabei in einen gespenstischen Todesengel. Reynolds findet schöne, stimmungsgenaue Bilder für dieses Dilemma, wenn er den Showdown in einem Weizenfeld inszeniert. Das wogende Gold der Ähren durchfurcht vom Furor der Rache. Jim Caviezel ist der ideale, charismatische Held - sanfte Stimme, durchdringender Blick. Wunderbar gelingen ihm die Verwandlungen vom jugendlich naiven Draufgänger zum leidenden Gefangenen und schließlich zum mysteriösen Grafen, der darauf wartet, von seiner Racheobsession erlöst zu werden.

THE COUNT OF MONTE CRISTO, USA 2001 - Regie: Kevin Reynolds. Buch: Jay Wolpert, nach dem Roman von Alexandre Dumas. Kamera: Andrew Dunn. Mit: Jim Caviezel, Guy Pearce, Dagmara Dominczyk, Richard Harris, Luis Guzman. Constantin, 131 Minuten.

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