Kinderoper:Der Trick zum Glück

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Wenn Ersatzopa Nils (Ralf Lukas) auf den Kirschbaum beziehungsweise das Klavier klettert, folgen ihm die Freunde Ulf (Valentin Frauenknecht, links) und Berra (Joel Lagies) begeistert nach. (Foto: Wilfried Hösl)

Die Bayerische Staatsoper nimmt nach zwei Jahren wieder "Kannst du pfeifen, Johanna" ins Programm. Sie erzählt von zwei Jungen, die sich im Altersheim einen Ersatz-Opa suchen

Von Barbara Hordych

Die Verfilmung von Ulf Starks Kinderbuch "Kannst du pfeifen, Johanna" ist so etwas wie der schwedische Weihnachtsklassiker schlechthin: Alle Jahre wieder ist die Geschichte von Berra, der mit seinem Freund Ulf auszieht, um sich im Altersheim einen Opa zu suchen, dann im Fernsehen zu sehen. Gordon Kampe komponierte zu der Vorlage 2013 eine gleichnamige Kinderoper, die in der Inszenierung von Łukasz Kos vor zwei Jahren Premiere im Rahmen der Münchner Opernfestspiele hatte. "Das Werk wird an vielen Häusern gespielt, etwa in Mainz, Hannover und Berlin. Aber unser Konzept stellt eine Besonderheit dar", sagt die Theaterpädagogin Ursula Gessat. Im Rennert-Saal der Bayerischen Staatsoper steht die Inszenierung, erneut dirigiert von dem erst 23-jährigen Grazer Patrick Hahn, von 30. März an wieder auf dem Programm. "In fast allen Aufführungen übernehmen die erwachsenen Sänger, die sich an ihre Erlebnisse in der Vergangenheit erinnern, auch die Spielszenen ihrer kindlichen Alter Egos. Das wollten wir aber auf keinen Fall", erzählt Gessat.

Beim Probenbesuch wird offensichtlich, was in München anders ist: Der elfjährige Joel Lagies als Berra und der neunjährige Valentin Frauenknecht als Ulf verkörpern die kindlichen Protagonisten, die sich gerade auf der Bühne ihre Spielzeug-Schätze zeigen. Bis Ulf sich verabschiedet: Er muss zum Geburtstag seines Opas, des "besten Opas der Welt", mit dem er Angelnachmittage verbringen und Torte essen könne. Berra hingegen wächst ohne Opa auf, erzählt er traurig. Sofort hat Ulf die rettende Idee, wo sie einen Opa herbekommen können - "aus dem Kasten". Der entpuppt sich als Altersheim, das jetzt mit einem alten Overheadprojektor auf den Bühnenhintergrund projiziert wird. Die Gänge des Heims mit den vielen verschlossenen Türen ziehen wie in einer Art Trickfilm-Projektion an den beiden Jungen vorüber, die plötzlich eine offene Tür entdecken. Dahinter sitzt Nils, ein alter Mann, der sich bereitwillig auf das Als-ob-Spiel einlässt. Fortan verleben die Drei mit dem frisch gekürten Großvater wunderbare Nachmittage, mit Drachen bauen, auf Kirschbäume klettern (tatsächlich steigt der herrlich schräge Ralf Lukas als Ersatz-Opa auf das Klavier) und Torte essen. Und immer wieder pfeift und singt der fröhliche Nils in Erinnerung an seine Frau das Lied "Kannst du pfeifen, Johanna?". Der alte Schlager der Comedian Harmonists von 1934 erscheint in immer anderem Gewand in der Kinderoper, intoniert von einem kleinen Ensemble aus zwei Bläsern, zwei Schlagzeugern, Kontrabass und Klavier. Das Orchester sitzt nicht im Graben, sondern links und rechts am Bühnenrand verteilt. Dabei müssen die Musiker darauf achten, den drei Sängern - Joshua Owen Mills, Maximilian Krummen und Ralf Lukas sind wie 2017 als Tenor, Bariton und Bassbariton besetzt - und den zwei Kinderdarstellern nicht in die Quere zu kommen. Obwohl sie sogar ins Geschehen involviert sind, etwa wenn sie die kaffeetrinkende Belegschaft des Altersheims mimen.

Heiter und unkonventionell, ganz ohne Sentimentalität, wird man als Zuschauer Zeuge, wie der alte Mann mit den Jungen noch einmal eine ganz besondere Zeit durchlebt. Die genau dann zu Ende geht, als Berra seinem Ersatz-Opa vorführen will, dass er - wie versprochen - das Pfeifen gelernt hat. Denn Nils ist gestorben. "Für uns ist es trotzdem kein Stück über das Sterben, sondern ein Stück über Freundschaft und das Glück, zusammen zu sein", sagt Gessat.

Zudem sei der Tod der Großeltern eine Erfahrung, die viele Kinder bereits gemacht hätten. Joel, der den Berra schon vor zwei Jahren spielte, hat beispielsweise nur noch einen Opa, erzählt er in der Pause. Valentin ist zwar neu in dieser Produktion, ist aber ebenfalls schon aufführungserprobt. Als Mitglied der Sarré-Musikakademie stand er beispielsweise schon als einer der drei Knaben in der "Zauberflöten"-Inszenierung auf der Bühne. Jetzt in der Pause widmet er sich dem Drachen, rennt ausgelassen durch den Saal. Joel übt sich derweil im Lippen spitzen. Schließlich will er das Lied von "Johanna" gleich perfekt bei Nils' Trauerfeier pfeifen.

Kannst du pfeifen, Johanna ; Sa., 30. März, 18 Uhr, und So. 31. März, 15 Uhr, Nationaltheater, Rennert-Saal

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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