Kinderfilmfest:Große Träume kleiner Helden

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Mit viel Geschick nehmen die Protagonisten des Kinderfilmfests ihr Leben selbst in die Hand. Spaß verspricht auch ein Geräusche-Workshop.

Von Barbara Hordych

Gitarrenklänge ziehen sich durch zwei der schönsten Beiträge des Kinderfilmfests und stehen metaphorisch für die großen Träume der jungen Heldinnen: Da ist einmal die zehnjährige Dhunu, die mit ihrer Mutter in einem abgelegenen Dorf in Nordost-Indien lebt. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als mit den Nachbarjungs ihre eigene Rockband zu gründen. Weshalb sie in Rima Das' Film Dorfband auf eine Gitarre spart. In nahezu dokumentarischen Einstellungen erzählt der Film in ruhigen und stimmungsvollen Bildern von einem Mädchen, das in einem von der Natur bestimmten Alltag beharrlich an ihrem Traum festhält und umgeben von Jungs allen Hindernissen zum Trotz ihren eigenständigen Platz behauptet.

Eine Gitarre spielt auch in dem belgischen Beitrag um Rosie & Moussa von Dorothée van den Berghe eine zentrale Rolle. In Rosies Fantasie gehört sie zu ihrem Vater, der in ein entferntes Land verschwunden ist, wie Rosies Mutter ihrer Tochter beim Umzug in ein Hochhaus am Rande der Stadt erklärt. Um sich an ihren Vater zu erinnern, nimmt Rosie eine Schneekugel mit einem Gitarre spielenden Mexikaner zu Hilfe. Es ist ihr neuer Freund, der Nachbarsjunge Moussa, der ihr hilft herauszufinden, wo sich ihr Vater wirklich befindet. So dass Rosie am Ende zwar wütend die Schneekugel zertrümmert, wie durch ein Wunder dann aber doch beim Theaterauftritt in der Schule musikalische Begleitung erhält: von ihrem Gitarre spielenden Vater, inmitten eines Schneegestöbers.

Dies sind nur zwei der 16 Beiträge, aus denen die Kuratorin Katrin Hoffmann ein spannendes Programm für das Kinderfilmfest zusammengestellt hat. Von Dänemark über Belgien bis Indien und Japan geht es um junge, starke Helden und Heldinnen, die mit viel Humor und Einfallsreichtum ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen. So auch der Titelheld in Jonas Elmers Beitrag Ich bin William, der das Kinderfilmfest eröffnet: William bildet mit seinem Onkel Nils ein gutes Team, auch wenn der Junge nicht so recht versteht, was sein Onkel eigentlich arbeitet. Jedenfalls ist sein Zimmer am einen Tag vollgestellt mit Kartons, die am anderen Tag wie von Geisterhand wieder verschwunden sind. Wenn der "idiotische Lehrer" ihn nach seinem Beruf frage, solle er "Import/Export" sagen, rät Onkel Nils seinem Neffen. Doch dann verschätzt sich Onkel Nils und schuldet plötzlich den Gaunern am Ort viel Geld. William muss sich also etwas einfallen lassen, um seinem Onkel aus der Patsche zu helfen. Weshalb er beginnt, den furchteinflößenden Rottweiler des Gangsterbosses auszuführen.

Einen Onkel mit einer gehörigen Portion krimineller Energie gibt es auch in Frederik Meldal Nørgaards rasanter Gaunerkomödie Kidbusters, die ebenfalls aus Dänemark kommt. Darin schlägt Onkel George die Entführung des Bankierssohns "Bernhard la Croix Eriksen von der Liebe" an, um Lösegeld zu erpressen. Weil ihr gerade aus dem Gefängnis entlassener Vater keinen Job findet, werden Anders, sein nörgelnder großer Bruder Oskar, seine schlagfertige Schwester Winnie und der kleine Bertram zu Komplizen. Ein Glück, dass dem gelangweilten Bernhard seine Entführung ganz gelegen kommt und er sich bei seinen Kidnappern richtig wohlfühlt. Fühlt er sich bei ihnen doch weniger alleine als in seiner eigenen Familie.

Oden an menschlich-tierische Freundschaften ziehen sich als zentrales Motiv durch die Animationsfilme des Kinderfilmfests. Einen Höhepunkt stellt der spannend erzählte sowie zauberhaft gezeichnete Mary und die Blume der Hexen von Regisseur Hiromasa Yonebayashi dar, der lange Zeit beim weltbekannten Studio Ghibli wirkte. Bekanntermaßen neigen Kinder dazu, niedliche Tiere in ihr Herz zu schließen. Nicht anders Mary, die von der Katze Tib zu einer seltsamen Blume im Wald geführt wird, in deren Nähe sie über einen Besen stolpert. Ehe sie sich versieht, trägt dieser das überraschte Mädchen über die Wipfel der Bäume in die Magierschule Endor. Doch schon bald kommt sie den dunklen Machenschaften der Lehrer auf die Schliche, die Tiere für ihre Zauberexperimente missbrauchen - und muss eine folgenschwere Entscheidung für sich und Tib treffen. Im rein tierischen Abenteuer von Gordon & Paddy wiederum müssen die titelgebenden Detektive - Froschinspektor Gordon und Maus Paddy - einen kniffligen Fall lösen.

Der wohl witzigste Beitrag zum Thema Freundschaft unter den Animationen ist die französische Komödie Der kleine Fuchs und seine Freunde - Das große Kinoabenteuer von Patrick Imbert und Benjamin Renner. Sie spielt auf einem Bauernhof, dessen Tiere sich allesamt in Identitätsverwirrung befinden: Da wären eine Ente, die nicht schwimmen kann, dafür aber den Weihnachtsmann ablösen will. Hinzu kommt ein Storch, der zu faul ist, Babys auszuliefern, während es wiederum ein Kaninchen gibt, das sich wie ein Storch verhält. Aber vor allem ist da ein Fuchs, der drei Küken aufzieht, weil diese glauben, er sei ihre Mama. Klar, dass die Hennen ihn später nicht fürchten, obwohl er doch so gerne ein guter Erschrecker wäre. Das gleiche Regieteam realisierte bereits den Publikumspreisträgerfilm im Jahr 2013, Ernest und Célestine, in dem ein Bär und eine Maus Freunde werden. Der Film wird am letzten Festivaltag, 7. Juli, um 15 Uhr im Rio außer Konkurrenz gezeigt.

Auch in diesem Jahr gibt es wieder einen Geräusche-Workshop - dieses Mal zu dem dreiminütigen französischen Kurzfilm Mondmädchen um eine kleine Kakerlake, die zum Mond fliegen will. Alexander Fickel vom Münchner Rundfunkorchester und Alex Naumann von der BR-Klassik-Kindermusiksendung "Do Re Mikro" bringen Rasseln, Trommeln, Xylophon und Gitarre mit, um noch vor den später folgenden Filmvorführungen gemeinsam mit dem Publikum aus einem Stummfilm mit Musik und vielen Geräuschen einen Tonfilm zu machen (2. Juli, 9 Uhr, Carl-Orff-Saal und 6. Juli, 15 Uhr, Rio). Der Kinderfilmfest-Publikumspreis, um den dieses Jahr neun Filme aus acht Ländern konkurrieren, ist erstmalig mit 1 000 Euro dotiert und wird von S Z Familie präsentiert. Der Preisträgerfilm wird am 7. Juli um 16.45 Uhr im Gasteig vor dem Carl-Amery-Saal bekannt gegeben und im Anschluss von 17.30 Uhr an kostenlos gezeigt.

Kinderfilmfest München , Freitag, 29. Juni, bis Samstag, 7. Juli, diverse Kinos, Infos unter www.filmfest-muenchen.de

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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