Kinder- und Jugendtheater:Varianten der Schöpfung

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Hedwig Rost und Jörg Baesecke präsentieren in Pullach ihr Stück "Wie die Welt auf die Welt kam": Schöpfungsmythen rund um den Globus. (Foto: Stephan Rumpf)

Jörg Baesecke und Hedwig Rost sammelten Entstehungsgeschichten aus allen Kulturen. Eine Auswahl präsentieren sie in ihrem Stück "Wie die Welt auf die Welt kam" in der Schauburg

Von Barbara Hordych

Wie wurde die Welt erschaffen - und von wem? Und wann kamen die Menschen hinzu? Das sind Fragen, die die Erdenbewohner seit jeher bewegten, in allen Kulturen, Ländern und Religionen. Eine von vielen möglichen Antworten hängt hinter Jörg Baesecke und Hedwig Rost an einem schwarzen Bühnenprospekt, verborgen in einer schwarzen Mappe. Sie enthält die Schöpfungsgeschichte der Maori aus Neuseeland. Um sie zu veranschaulichen, nimmt Hedwig Rost die betreffende Mappe ab, die mit einem roten Seidenband umwickelt ist. Himmel und Erde, Mann und Frau, hielten sich lange Zeit eng umschlungen, erzählt sie. Fünf Kinder kamen. Doch erst als diese sich aus der festen Umklammerung der Elternfiguren befreiten, konnte die Schöpfung beginnen. Hedwig Rost löst das rote Band, die Mappe geht auf, und eine Halbkugel aus Papier entfaltet sich. Der Wind, der Sand, die Sonne und der Mond kommen hinzu, auf der Bühne in Form von Muscheln und Schnecken.

"Selten haben wir an einem Stück so lange gearbeitet wie an diesem", sagt Jörg Baesecke auf der Probenbühne der Schauburg in der Isabellastraße kurz vor der Premiere von "Wie die Welt auf die Welt kam" am Samstag. Seit Jahren haben er und seine Frau, die mit ihrer "Kleinsten Bühne der Welt" schon die Stücke "Salz" und "Stadttorheiten" für die Schauburg realisiert haben, Geschichten aus der mündlichen Überlieferung gesammelt. Als Abbildungen des Menschseins, die nicht von einem einzelnen ausgedacht wurden, sondern ein Kondensat sind aus Lebensrealität, Erfahrungsberichten und Welterklärungsmodellen, schätzen die beiden Objekttheater-Macher die ausgesuchten Märchen und Mythen. Zwanzig bringen sie jetzt auf die Bühne, mal komplett auserzählt, mal in nur ein, zwei Sätzen zusammengefasst. "Wir starten mit der Genesis, und machen uns dann auf eine Reise rund um den Globus", sagt Hedwig Rost. Vertreten sind Schöpfungsgeschichten aus Nigeria, China, Finnland, Patagonien, Südafrika, Mali, Indien, dem Sudan, dem Kongo, Borneo, Kalifornien und Polynesien.

"Wir zeigen, wie die Völker der Yoruba, der Navajos, der Maori, der Maya und der Irokesen sich die Entstehung der Welt vorstellten, ehe unsere Aufführung mit einer naturwissenschaftlichen Deutung, dem Urknall, endet", sagt Baesecke. Jede Geschichte hat einen "Stellvertreter" am Bühnenprospekt, der im Laufe der Vorstellung abgenommen und aufgeklappt wird. "Adventskalenderästhetik" nennt Baesecke das Konzept, wenn nach und nach die Geheimnisse gelüftet werden. Der Volljurist hat sich schon vor Jahrzehnten für eine Existenz als professioneller Erzähler entschieden; als solcher tritt er an der Schauburg oder im Stadtmuseum genauso auf wie deutschlandweit und international - so war er seinerzeit mit Christian Ude in Harare, wo er in Münchens Partnerstadt mit seinem kleinen Papier-Theater die Legende vom "Affenturm" vorstellte. "Begleitetes Erzählen" nennt Baesecke diese Darstellungsweise, wenn er entweder von seiner Frau Hedwig akustisch - sie hat an der Münchner Musikhochschule Geige studiert - oder mit Papierobjekten visuell unterstützt wird. Beide Techniken kommen nun auch in ihrer neuen Produktion wieder zum Einsatz.

Als größte kreative Herausforderung erwies sich für beide übrigens die Frage, wie man das "Nichts" darstellen könne, das am Anfang so vieler Geschichten steht. "Dafür wird im Theater ja gerne Bühnennebel hergenommen, aber das entspricht nicht unserer Arbeitsweise", sagt Baesecke und schmunzelt. Stattdessen gestalteten die findigen Papier-Theater-Macher eine weitere Mappe. Hedwig Rost hängt sie ab und klappt sie auf. Ihr Innenleben besteht aus einem blauen Satinband, das in mehreren Bahnen einen weißen Papieruntergrund komplett bedeckt. Jetzt beginnt sie dieses Band langsam abzuwickeln. Bis nur noch ein weißer Untergrund übrig bleibt. Eine ebenso einfache wie sinnfällige Illustration des Begriffs "Nichts".

Wie die Welt auf die Welt kam , ab 9 J., Sa., 18. Feb., 16 Uhr, Schauburg, Elisabethplatz

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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