Jugendtheater:Verwaltetes Leben

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Wer aufs Amt geht, um seine Angelegenheiten in Ordnung bringen, tritt dort in der Regel unauffällig auf. Im Drama "Amt" hat einer der Wartenden allerdings genug von der Unterordnung. (Foto: Imal)

Die neue Produktion des "International Munich Art Lab" hat Premiere im Arri-Studio. Im Musikdrama "Amt" verarbeiten die Jugendlichen auch eigene Erlebnisse

Von Barbara Hordych

Dieses Bürgerbüro gleicht einem Albtraum: "Amt für Alles und alles Weitere" skandieren drei junge Sachbearbeiterinnen in den Telefonhörer, während sie riesige Stempel mit Wucht auf Papiere niedersausen lassen. Sie thronen hinter in die Höhe geschraubten Schreibtischen, was die Bittsteller, die nach langem Warten vorstellig werden dürfen, noch kleiner und armseliger wirken lässt. Glücklicherweise befindet man sich aber nicht im Münchner Kreisverwaltungsreferat, sondern nur bei einer Probe der Musiktheater-Produktion "Amt" des jungen Ensembles vom International Munich Art Lab (IMAL), die am 18. Juli Premiere im Arri-Studio hat.

"Ich bin gerade umgezogen", setzt eine junge Frau zaghaft an. Weiter kommt sie nicht. "Ich bin hier nur die Vertretung der Sachbearbeiterin", klärt die Mitarbeiterin die Bittstellerin recht unwirsch auf. Deshalb sei sie nicht befugt, ihr zu helfen. "Ich kann Ihnen aber eine Broschüre zu den schönsten Parkhäusern der Stadt überlassen", bietet sie als zweifelhaften Trost an - und lässt von oben Flyer auf die verhinderte Antragstellerin niederregnen. Sodann fällt der Startschuss für eine flotte Rap-Einlage, in der die Sachbearbeiterin im Nadelstreifenkostüm ihr Innenleben tanzend und singend nach außen kehrt: Manchen könne sie sogar helfen, gesteht sie rappend ein - "ich tue es aber nicht", denn "enttäuschen" sei nun einmal das kleine Vergnügen, das ihr bleibe.

"Klar ist das ironisch überzogen", räumt Vridolin Enxing, der Gründer und musikalische Leiter des International Munich Art Lab, nach dem Probenbesuch in der Imal-Halle in Sendling ein. Trotzdem seien alle Situationen, die in dem Musikdrama "Amt" auf die Bühne gebracht würden, von den Jugendlichen selbst erdacht und geschrieben, die Lieder selbst komponiert und getextet. "Und die Basis des Stücks sind einfach Situationen, die sie selbst auch so oder ähnlich erlebt haben", sagt Enxing.

Er und sein Team von Coaches begleiten seit 1999 junge Menschen auf ihrem Weg zwischen Schule und Ausbildung. Zwei Jahre lang erhalten sie kostenlosen künstlerischen Unterricht - in Schauspiel, Gesang, Musik, Bühnenbild und -technik. Ihre Kenntnisse setzen sie am Schluss zur Gestaltung eines Bühnenwerks ein, bei dem sie alles selbst erarbeiten: Thema, Text, Musik, Bühne, Kostüme und Technik. Imal nimmt insbesondere benachteiligte Jugendliche auf - wobei die wesentliche Voraussetzung immer das Talent ist, wie Enxing betont. Knapp die Hälfte der jeweils dreißig aufgenommenen Jugendlichen verlassen Imal nach einem Jahr wieder, um doch noch das Abitur nachzumachen oder ein geregeltes Ausbildungsverhältnis anzufangen. Das versteht Enxing.

Leid tut es ihm hingegen um diejenigen, die von ihren Eltern zu einer Berufslaufbahn gedrängt würden, die ihren Interessen völlig zuwider laufe. "Kulturferne Elternhäuser" gebe es eben auch unter so genannten bürgerlichen Familien. "Wir hatten in der letzten Produktion beispielsweise eine fantastische junge Sängerin, die noch in der Zwischen-Werkschau das Publikum begeisterte." Danach habe aber ihre Mutter, eine Psychologin, gesagt: "Alles schön und gut - aber jetzt musst du etwas Anständiges lernen!" Damit begann für die junge Frau eine zweijährige Friseurlehre. Lieber erinnert sich Enxing jedoch an Talente, denen er hat beistehen können. Gegen Ämter, die die jungen Menschen eher zu Erziehern ausbilden wollten als zu Schauspielern. Oder denen er bei persönlichen Schicksalsschlägen helfen konnte. So wie Antje Traue, die als 16-Jährige zu Imal kam. Ein Jahr später verstarb ihre Mutter an den Folgen eines Unfalls. Er und seine Frau nahmen Traue einige Monate bei sich auf, sie übernahm später in dem Imal-Musical "West End Opera" die Hauptrolle. Heute ist sie als Schauspielerin international bekannt- als Supermanns neue Feindin im Hollywoodfilm "Man of Steel" (2013) und als Klimts Muse in "Frau in Gold" (2015).

Amt , Premiere 18. Juli, 20 Uhr; weitere Termine bis 26. Juli, Arri Studio 2, Türkenstraße 95

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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