Jugendtheater:Helden im Kubus

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Abgetaucht im World-Wide-Web ist Sedna (Sophie Meinecke). (Foto: Ludo Vici)

"Unter Wasser" im Teamtheater Tankstelle

Von Barbara Hordych, München

Die eine, Eko, ist die Schul-Schöne, Mittelpunkt jeder Party, mit vielen Facebook- Posts, die von ihrer Anhängerschaft in Rekordgeschwindigkeit geliked werden. Die andere, Sedna, ist allein und hat den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. Am nächsten fühlt sie sich ihr, wenn sie abtaucht, im See. Dort ertrank ihre Mutter bei einem Autounfall, und "die Barsche haben jetzt mehr von ihr" als sie selbst. Auch bastelt Sedna an einem Rekord: Eine Minute und 38 Sekunden kann sie unter Wasser schon den Atem anhalten. Als sie versucht, ihre Bestleistung im Schwimmbad zu steigern, gerät ihr ausgerechnet Ekos naiv-nerdiger Bruder Louis in die Quere, der sie als vermeintlich Ertrinkende vom Boden des Beckens fischt. Was allerdings weder Sedna noch Eko ahnen: Ausgerechnet der 16-Jährige Louis, im realen Leben eher unauffällig, ist eben jener geheimnisvolle "Narzissus", der im Schul-Intranet gerade zum Superstar avanciert. Und in den sich beide Mädchen bis zur Selbstaufgabe verlieben - freilich in Unkenntnis seiner wirklichen Identität.

"Unter Wasser" ist ein 2014 preisgekröntes kanadisches Jugendstück der beiden Schauspieler Jean-François Guilbault und Andréanne Joubert, das jetzt im Teamtheater Tankstelle seine deutsche Erstaufführung (Übersetzung Frank Weigand) hatte. Sophie Meinecke und Daniel Holzberg agieren auf hohem Energielevel als Sedna und Louis, die sich mit viel coolem Gequassel über die eigenen Unsicherheiten, Wünsche und Verletzungen hinwegzutäuschen suchen. Überzeugend puristisch und doch multifunktional ist das Bühnenbild geraten, das Ausstatter Michele Lorenzini für die Inszenierung von Philipp Jescheck ersonnen hat: Das Darstellerduo ist in zwei Kuben aus dünnen Leisten untergebracht, die nicht von ungefähr an Aquarien erinnern. Praktisch ist das klug gedachte Konstrukt auch noch - schließlich soll die Inszenierung mobil einsetzbar sein, wenn sie nach den Vorstellungen im Teamtheater (bis 13. Mai) durch Klassenzimmer und Jugendzentren tourt.

Schön sind akustische Einfälle wie der Einsatz von Loop-Maschinen, die die beiden Akteure auf der Bühne zu Antreibern ihrer selbst werden lassen, indem sie das Sprechtempo in Endlosschrauben anheizen. Nicht zuletzt die anvisierte Zielgruppe im Publikum scheint sich wiederzuerkennen und reagiert deutlich amüsiert, wenn Daniel Holzberg als Louis/ Narzissus immer tiefer in den Strudel seines eigenen Aktionismus hineingezogen wird: Hektisch und nahezu schlaflos hechtet er zwischen seinen Rollen als Schul-Nerd, Aushilfs-Bademeister und Narzissus-Superheld hin und her. Dass ihm dabei die eigene Schwester immer freizügigere Offerten macht und ihr dabei eine verzweifelt-gehässige Konkurrentin auf den Fersen folgt, bis Eko schließlich Opfer einer begehrlichen Meute wird, verdrängt er mit immer schnelleren Klicks. So lange, bis es zur Katastrophe kommt.

Über Pseudo-Nähe, unrealistische Rollenvorbilder und Einsamkeit in Zeiten des World-Wide-Webs wird immer wieder gerne doziert. Etwas ganz anderes ist es, diese Phänomene in einem Stück wie diesem mit famos agierenden Darstellern der Generation What'sApp und Facebook vor Augen zu führen.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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