Jubiläum:Lebendige Tradition

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125 Jahre Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst

Von Evelyn Vogel, München

Dass der Name auch zu Missverständnissen führen kann, dessen ist sich der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst in München, kurz DG, durchaus bewusst. "Der Name wird im Verein oft diskutiert, weil er nicht mehr zeitgemäß erscheint", sagt Benita Meißner, Geschäftsführerin der DG und Kuratorin der Galerie. Denn trotz des religiösen Hintergrunds gehe es nicht um eine religiöse Bebilderung, sondern um die Frage nach gesellschaftlicher Relevanz von Kunst. Und in diesem Spannungsfeld zwischen Religion und Gesellschaft die freie Kunst zu fördern, sei durchaus zeitgemäß. Die DG tut dies seit nunmehr 125 Jahren.

Gegründet wurde der DG-Verein 1893 als überregionale, gemeinnützige und unabhängige Kultureinrichtung aus der Laienbewegung heraus von zwei Künstlern und einem Pfarrer, um sich für den kreativen Gedankenaustausch zwischen Künstlern, Theologen und Kunstfreunden einzusetzen. Vorbild war die 1876 von einer Gruppe katholischer Forscher und Publizisten gegründete Görres-Gesellschaft, die sich der christlichen Tradition in Wissenschaft und Forschung verpflichtete. Dass die DG in der modernen gläsernen Zentrale des Siemenskonzerns am Wittelsbacherplatz sitzt, überrascht die meisten, die die Galerie das erste Mal besuchen. Die Gründe für diese räumliche Verbindung zwischen einer kleinen christlich orientierten Galerie und einem multinationalen Konzern sind historischen Ursprungs.

Denn eng mit der DG verbunden ist das "Ausstellungshaus für christliche Kunst" (VAH), ein Verein, der seit 1918 existiert. Es war der VAH, der 1921 einen großen Gebäudekomplex am Wittelsbacherplatz erwarb und dort eine eigene Galerie einrichtete. Bis 1929 hatte die DG hier ihren Sitz, dann wechselte man innerhalb der Stadt einige Male den Standort und kehrte 1955 an den Wittelsbacherplatz zurück. Der Siemenskonzern hatte den Gebäudekomplex von der VAH gepachtet, die DG erhielt ein Bleiberecht. Auch als Siemens vor einigen Jahren am Wittelsbacherplatz neu baute, war klar: Nach einem Intermezzo in der Türkenstraße während der Bauphase würde die DG mit ihrer Galerie in die neue Siemenszentrale einziehen, wo ihr seit 2016 ein lichtdurchfluteter Ausstellungsraum mit Bibliothek und Archiv zur Verfügung steht. Dass gläserne Gebäude für eine Galerie nicht die geeignetsten Bedingungen darstellen, dass jede Ausstellung mangels Hängefläche eine neue Herausforderung darstellt, daran hat man sich in der DG mittlerweile gewöhnt.

Bis zu fünf Ausstellungen pro Jahr richtet die DG-Galerie aus, widmet sich zeitgenössischer Kunst und Architektur und vergibt seit 1979 etwa alle drei Jahre einen Kunstpreis, benannt nach Gebhard Fugel, einem der Gründer der DG. Hinzu kommen Führungen, Künstlergespräche, Tagungen, Vorträge, Lesungen, Performances und Exkursionen sowie Beteiligungen an externen Kunstprojekten und (an diesem Wochenende wieder) der Langen Nacht der Museen. In jüngster Zeit geht man immer öfter Kooperationen mit Ausstellungshäusern ein, wie derzeit mit dem MKK in Ingolstadt bei "Über das Geistige in der Kunst. 100 Jahre nach Kandinsky und Malewitsch" ( nebenstehender Bericht).

Meißner, die 2014 die Leitung der DG übernahm, ist stolz darauf, dass die Galerie über die Jahre hinweg immer professioneller wurde. Wobei schon die Künstlerliste der vergangenen Jahrzehnte berühmte Namen aufzuweisen hatte: Joseph Beuys, Arnulf Rainer, Georg Baselitz, Franz Erhard Walther, Carsten Nicolai, Neo Rauch und Kiki Smith - um nur einige zu nennen. Dank des Fördervereins, der VAH, sei man "keinen merkantilen Kriterien unterworfen" und könne das Programm vollkommen frei entwickeln. "Eigentlich sind wir einem Kunstverein viel ähnlicher als einer kommerziellen Galerie", betont Meißner. Hinzu kommen Mitgliedsbeiträge (30 Euro pro Jahr, Studenten die Hälfte), eine kleine Fördersumme vom Freistaat und einzelne Projektzuschüsse durch die evangelische Kirche. Bis vor Kurzem gab es auch von der Bischofskonferenz eine finanzielle Unterstützung.

Die Mitgliederzahlen sind zwar weit entfernt vom Höchststand von 6000, die man 1912 zählte. Aber zuletzt lagen sie stabil bei etwa 360, weiß Meißner. Das recht hohe Durchschnittsalter erfahre zudem eine "kontinuierliche Verjüngung", freut sich die Geschäftsführerin der DG. Der Vorstand besteht aus Künstlern, Kunsthistorikern und Theologen und ist ökumenisch ausgerichtet. Im Jubiläumsjahr hat man eine Tradition wiederbelebt, die es bis in die Achtzigerjahre gab: kuratierte Mitgliederausstellungen. An diesem Wochenende feiert die Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst ihr 125-jähriges Bestehen mit einem Festakt für geladene Gäste und einer Tagung in der Katholischen Akademie, die öffentlich ist.

Kunst - Spiritualität - Religion. Von Schnittmengen und Abgrenzungen - Was ist "christliche Kunst" heute?, Tagung in Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern, Mandlstr. 23, Sa., 20. Okt., 9.30-13 Uhr, Anmeldung unter www.kath-akademie-bayern.de (Anmeldeschluss: 18. Okt.)

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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