Joseph Ratzinger Enzyklica "Spe Salvi":Kein Platz für Zweifel

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In seiner zweiten Enzyklika ist Benedikt XVI. im Guten wie im Schlechten unmodern. Es geht um Hoffnung, Fegefeuer, Aufopferung und Volksfrömmigkeit. Bei all dem bleibt der Papst ein Meister der Gewissheit.

Matthias Drobinski

Die Angst vor der Zukunft ist eine Krankheit der Gegenwart, und deshalb berührt Papst Benedikts XVI. Enzyklika "Spe salvi" über die christliche Hoffnung eine Wunde der Zeit. Die christliche Hoffnung ist kein vager Optimismus, dass es schon irgendwie gutgehen werde mit Mensch und Welt, schreibt der Papst. Sie sei die Gewissheit des Gläubigen, von Gott gehalten zu werden, was auch immer passiert, unabhängig von mehr oder weniger guten Ereignissen.

Papst Benedikt XVI. im September 2006 in Regensburg. (Foto: Foto: ddp)

Das ist die tatsächliche ökumenische Dimension der Enzyklika: Der Papst schreibt über ein christliches Grundthema, und er schreibt in vielen Passagen so, dass alle Christen gerührt nicken können, und dass Nichtchristen nahegebracht wird, was den Gläubigen Halt im Leben gibt oder geben sollte. Die christliche Hoffnung lebt im Gebet, im Mitleiden, in der Erwartung, dass am Ende der Welt Gerechtigkeit und Liebe siegen. Sie unterscheidet sich grundsätzlich von den innerweltlichen Hoffnungen auf technischen, medizinischen oder politisch-gesellschaftlichen Fortschritt.

In seinem zweiten Lehrschreiben ist Benedikt XVI. im guten wie im problematischen Sinne unmodern. Im guten, weil er zeigt, dass die Hoffnung, die sich auf einen Gekreuzigten richtet, immer anders und tiefer sein muss, als es die Erfolgs-, Macht- und Machbarkeitsphantasien der Gegenwart sind. Im problematischen, weil wieder einmal Joseph Ratzingers Skepsis gegenüber den Geistesströmungen seit der Aufklärung deutlich wird: Eigentlich hat sich seit dem 16.Jahrhundert der Glaube an die Erlösung durch Fortschritt breitgemacht; Vernunft und Freiheit werden seitdem als Gegensatz zu den religiösen und kirchlichen Bindungen gesehen.

Benedikt sieht das genau umgekehrt: Vernunft und Freiheit sind erst in der Bindung an den Glauben (und letztlich an die katholische Kirche) wirklich vernünftig und frei. Die Moderne als Verfallsprozess zu beschreiben, wird ihr aber so wenig gerecht, wie sie als permanente Weltverbesserung zu bejubeln. Und bedenklich ist, dass die große Hoffnungsschrift "Gaudium et spes" ("Freude und Hoffnung") des Zweiten Vatikanischen Konzils es nicht mal in eine Fußnote schafft. Stattdessen geht es ums Fegefeuer, um die Aufopferung, ums Armesündergebet, um die Wiederentdeckung der katholischen Volksfrömmigkeit. Ist das die "Selbstkritik des neuzeitlichen Christentums", die Benedikt sich wünscht?

Bei allem aber ist das päpstliche Rundschreiben eine Einladung zum Gespräch, kein abgrenzendes Dekret. Es passt in die Politik Benedikts, die Ernennung von Reinhard Marx zum Münchner Erzbischof eingeschlossen: Er sucht den Diskurs, redet einladend von den Möglichkeiten und nicht vom Begrenzenden des christlichen Glaubens katholischer Konfession. Doch die Maßstäbe und Wahrnehmungen stehen fest; der Papst ist ein Meister der Gewissheit. Für den produktiven Zweifel aber, für das tastende Denken in Möglichkeiten, bleibt kein Platz.

© SZ vom 01./02.12.2007/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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