17 Jahre Mahnmal-Debatte: Eine unabgeschlossene Diskussion:Nichts war unumstritten

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Die Diskussion war lang, eine Entscheidung ist gefallen. Doch die Fragen der Mahnmal-Debatte werden wiederkehren.

LOTHAR MÜLLER

Im Eingangsfoyer zum unterirdischen "Ort der Information" wird der Besucher des "Denkmals für die ermordeten Juden Europas" auf einem Monitor umfangreiches Dokumentationsmaterial zur Entstehungsgeschichte abrufen können. Er wird auf eine Zeitreise gehen können, die zurückführt in den August 1988, als die Mauer noch stand und auf dem jetzigen Denkmalsgelände Angehörige der Grenztruppen der DDR in ihren Wachtürmen saßen. Damals erhob die Publizistin Lea Rosh zum ersten Mal die Forderung nach einem Mahnmal für die ermordeten Juden im "Land der Täter".

Stets verlief die Debatte parallel zu den Zäsuren der deutschen Nachkriegsgeschichte. (Foto: Foto und Copyright: Regina Schmeken)

Nichts blieb in den folgenden fast 17 Jahren unumstritten: Weder die Frage der Widmung des Denkmals noch sein Standort, weder seine ästhetische noch seine politische Legitimation, weder die Größe, die es haben, noch das Material, aus dem es erbaut werden sollte. Und stets verlief die Debatte parallel zu den Zäsuren der deutschen Nachkriegsgeschichte. Stets war sie ein dynamisches Element im Aufschwung von "Erinnerungspolitik" und "Gedenkkultur" seit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985. Sie begann im Schatten des Historikerstreites um die "Singularität" des Holocaust, am Vorabend der Falls der Berliner Mauer. Erst dadurch konnten die Initiatoren, die ursprünglich an das Prinz-Albrecht-Gelände, den Ort der "Topographie des Terrors" gedacht hatten, den Bauplatz zwischen Brandenburger Tor und Hitlers ehemaliger Reichskanzlei ins Auge fassen.

Die Entwürfe des ersten Wettbewerbs wurden im Frühjahr 1995 öffentlich diskutiert und demontiert, parallel zu den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag des Kriegsendes. Kaum hatten die Auslober sich für das Projekt einer großen ansteigenden Betonplatte entschieden, in die nach und nach die Namen ermordeter Juden eingraviert werden sollten, geriet es durch das Veto des Bundeskanzlers Helmut Kohl in die Sackgasse. Dieser blieb aber zugleich, gegen den hartnäckigen Widerstand großer Teile der Berliner CDU und des damaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen, in den folgenden Jahren ein grundsätzlicher Befürworter des Projekts.

Zerflattern des Gedenkens

In der rot-grünen Regierung, die Kohl im September 1998 ablöste, trat demgegenüber der Staatsminister für Kultur und Medien, Michael Naumann, sein neu geschaffenes Amt als erklärter Gegner des Denkmal-Projektes an. Sein Umschwenken erfolgte vor dem Horizont des Umzugs von Parlament und Regierung nach Berlin und des Aufstiegs der politisch-publizistischen Zäsur-Formel "Berliner Republik", die stets mit der Frage nach deren Verhältnis zur Geschichte Berlins als Hauptstadt des nationalsozialistischen Deutschland verbunden war. Es war möglich, weil es seit dem zweiten Wettbewerb einen Denkmals-Entwurf gab, der sich als ästhetisch stringent und zugleich elastisch genug erwies, um der Kritik am "Monumentalismus" wie am "Symbolkitsch" vieler Entwürfe auf Dauer den Wind aus den Segeln zu nehmen: den überarbeiteten, nach dem Rückzug des ursprünglichen Ko-Autors, des Bildhauers Richard Serra, überarbeiteten Entwurf von Peter Eisenman.

Er hatte durch die Reduzierung der Anzahl der Stelen eine "Entmonumentalisierung" erfahren. Und er bot zugleich die Möglichkeit eines Kompromisses zwischen den Anwälten der "reinen Kunst", die jede Didaktisierung vermieden wissen wollten, und den Befürwortern eines "diskursiven Denkmals", die in der semantischen Offenheit des Stelenfeldes das Zerflattern des Gedenkens in assoziativer Beliebigkeit befürchteten. Als der Bundestag am 25. Juni 1999 in einer seiner letzten Bonner Sitzungen mit 314 gegen 209 Stimmen für die Realisierung des Denkmals votierte, legte er den Architekten auf den Kompromiss fest: die Ergänzung des Stelenfeldes um einen Ort der Information.

Spät, aber erfolgreich hatte der Bundestag das Denkmal in seine Obhut übernommen. Ein nur scheinbar triviales Element war damit der Diskussion entzogen: dass es ein Bauwerk sein würde. Über Jahre hinweg war auch dies umstritten gewesen. Nicht nur durch die Lieblingsthese aller Diskurs- und Kommunikationstheoretiker, dass das eigentliche Denkmal die Diskussion darüber sei. Sondern zugleich und vor allem durch die performativen Energien der modernen Kunst, die auch den Begriff des Denkmals vom Begriff des umbauten oder bebauten Raumes lösten. Eine konsequente Variante dieser Auflösung war der Vorschlag des Konzeptkünstlers Horst Hoheisel, das Brandenburger Tor abzutragen und seine zu Staub zermahlenen Steine und Bronzen auf dem Denkmalgelände zu zerstreuen, um den Deutschen die doppelte Leere des Pariser Platzes und des nicht gebauten (entlastenden) Denkmals zuzumuten. Jetzt ist das Denkmal gebaut, und es wird sich den Fragen stellen müssen, die in seiner Vorgeschichte zwar entschieden wurden, aber nicht letztgültig beantwortet werden konnten. Wie verhält sich die exklusive Widmung für die ermordeten Juden zu den anderen Opfern des Holocaust? Und welchen Ort wird dieses Denkmal im Kreis der Gedenkstätten in Berlin und der Welt einnehmen?

© SZ vom 9.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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