Israelische Sitcom:Wenn der Geheimdienst die Schwiegermutter holt

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Komische Diskriminierung. Ein arabisch-israelischer Autor verwandelt die Konflikte Israels mit feiner Ironie in eine erfolgreiche Sitcom.

Anna Kemper

Amjad hat es satt. Jeden Morgen wird er am Checkpoint angehalten und kontrolliert. Wie erkennen die Soldaten bloß, dass er Araber ist? Es ist das Auto, erklärt ihm sein jüdischer Freund Meir: "Erste Lektion in der Armee: Einen alten Subaru fahren nur Araber". Welches Auto sei denn, nun ja, Amjad druckst herum, hundertprozentig jüdisch? Ein Rover. Also kauft sich Amjad einen Rover. Und wird am Checkpoint freundlich durchgewunken.

Anti-Helden des arabisch-israelischen Alltags: die Darsteller der israelischen Sitcom "Awoda Arawit". (Foto: Screenshot: http://www.jffb.de/)

Anti-Held am Grenzstreifen

Amjad ist der Held der israelischen TV-Sitcom "Awoda Arawit", oder besser ihr Anti-Held, denn er könnte glatt einem Woody-Allen-Film entnommen sein: Der Journalist ist voller Neurosen, er will Großes, scheitert schon im Kleinen und wäre ohne seine Frau völlig aufgeschmissen.

Amjad ist Israeli, Araber, Moslem, und da das alles nicht gut zusammenpasst, weiß er meistens gar nicht, wer oder was er eigentlich ist. Palästinensischer Israeli? Israelischer Araber? Muslimischer Israeli?

Sein Schöpfer hat diese Frage der Identität längst für sich geklärt: "Ich bin einfach nur ein ganz normaler Mistkerl." Sayed Kashua ist Journalist und Schriftsteller, er hat das Drehbuch zu "Awoda Arawit" geschrieben, gerade hat die Serie das Jüdische Filmfest in Berlin eröffnet.

Amjad ist Kashuas Alter Ego, sie teilen nicht nur den Beruf, sondern auch eine linkische Unsicherheit: Im Kinosaal in Berlin drückt sich der 33-jährige Autor an den Rand, als wolle er verschwinden, er versteckt seine Hände gern in den Hosentaschen, und beim Interview in einem Berliner Hotel scheint selbst das riesige Sandwich vor ihm ihn einzuschüchtern.

"Awoda Arawit" lief auf einem kommerziellen Sender, zum größten Teil auf Arabisch mit hebräischem Untertitel. Und das zur Prime Time, obwohl das israelische Fernsehen arabischsprachige Sendungen sonst gerne auf unattraktive Programmplätze schiebt. Ein Risiko sei das gewesen, sagt Kashua.

Quotenrenner

Doch fast zwanzig Prozent des Fernsehpublikums wollten sehen, wie sich Meir, Amjads jüdischer Kollege, in eine feministische arabische Anwältin verliebt und für sie kocht. Dann sitzt sie vor den Speisen und wittert Vorurteile: Klar, arabisches Essen, wieso sollte eine Araberin auch Schnitzel mögen. Weinblätter als Zeichen für Rassismus? "Weinblätter", doziert sie, "sind nur das Symptom".

Sayed Kashua versteht es, feine Ironie um die scharfen Pointen zu legen, leicht kommt sein Humor daher und stichelt doch. So schafft er es, selbst der Brutalität, die der Konflikt in sich trägt, absurde Komik abzugewinnen: Der Geheimdienst setzt Amjad unter Druck, er soll seine arabischen Nachbarn bespitzeln.

Zugleich hat sich bei ihm zu Hause seine unerträgliche Schwiegermutter eingenistet, Ratten haben ihre Wohnung unbewohnbar gemacht. Sie schimpft: Vernichten müsste man diese elenden Kreaturen, die alles zerstören, ins Meer treiben, in die Luft jagen! Amjad nimmt ihre Tirade auf Tonband auf und liefert sie dem Geheimdienst. Der prompt seine Schwiegermutter abholt.

Beste Kritiken bekam Sayed Kashua für die Serie. Zumindest in den hebräischen Zeitungen, die arabischsprachigen beschimpften ihn als Kollaborateur: er würde die Vorurteile gegen die arabische Minderheit in Israel nur verstärken.

Kashua lacht, wie solle denn das gehen? Die Vorurteile könnten doch gar nicht größer werden. "Jüdische Israelis denken sowieso, dass ein arabischer Autohändler nur gestohlene Autos verkauft - also zeige ich ihnen einen, der aber liebenswert und lustig ist."

Szene aus "Awoda Aravit", Al Jazeera.net

Dabei schont Kashua keine Seite, und mit jeder Folge wird seine Kritik an der israelischen Gesellschaft deutlicher. Er nimmt die falsche Liberalität aufs Korn, wenn die Erzieherin im "Schalom-Kindergarten" durchblicken lässt, dass arabische Kinder nicht erwünscht sind: "Wir finden Frieden zwar wichtig, aber so weit sind wir noch nicht."

Und er zeigt die offene Diskriminierung: Als Meirs Mutter zum ersten Mal seine Freundin trifft, streitet das Paar sich gerade. Danach beschließt Meir, seiner Mutter die Wahrheit zu sagen: "Sie ist eine Araberin." Und die Mutter antwortet: "Nur weil ihr euch gestritten habt, musst du sie doch nicht gleich beleidigen!"

Ungefähr zwanzig Prozent der israelischen Bevölkerung sind Araber, sie bekommen weniger Mittel für ihre Schulen, in ihren Städten sind die Straßen oft in erbärmlichem Zustand, die Gesundheitsversorgung ist schlecht. Zwei Drittel der Israelis sehen in der Minderheit ein Sicherheitsrisiko.

Er habe eine arabische Familie in ein israelisches Wohnzimmer bringen wollen, sagt Sayed Kashua, sechzig Jahre nach der Staatsgründung sollte endlich eine populäre Fernsehsendung die Probleme der arabischen Israelis zeigen. Über die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, sich anpassen zu wollen, und der Gefahr, das Eigene zu verlieren, schreibt er auch in seinen Büchern, die auf Deutsch erschienen sind.

Und jede Woche in seiner witzigen, melancholischen Kolumne für die Zeitung Haaretz. Er schreibt auf Hebräisch, des literarischen Arabisch ist er nicht mächtig, bis heute sind seine Bücher nicht ins Arabische übersetzt. Warum, er weiß es nicht, aber er hofft: Ein libanesischer Verlag ist interessiert.

Verhaltener Optimismus

Sayed Kashua arbeitet bereits an der zweiten Sitcomstaffel, kürzlich gab es schon eine Sonderfolge: Amjads Frau bekommt ein Kind, es ist das erste Baby am 60. Geburtstag des Landes. Ein Millionär hatte dem ersten Baby zur Feier des Tages eine Millionen Schekel versprochen. Als er erfährt, dass das Baby arabisch ist, macht er eine Zusatzbedingung: Das Kind müsse Israel genannt werden.

Amjad handelt mit dem jüdischen Paar, dessen Kind als zweites auf die Welt kam, einen Kompromiss aus: Diese nennen ihr Kind Israel, bekommen das Geld und beide Familien teilen die Prämie, um die sie sich vorher gestritten haben. In der Nebenhandlung wird klar, dass es mit Meir und seiner arabischen Freundin nicht klappen wird.

Und vielleicht ist das der verhaltene Optimismus, den Kashua verbreiten will: Erwartet keine Liebesbeziehung zwischen Arabern und Juden, aber vielleicht eines Tages einen fairen Deal.

Eine symbolische Bedeutung? "Auf gar keinen Fall", Sayed Kashua schüttelt den Kopf und beißt mit großer Ernsthaftigkeit in sein Sandwich. Dann grinst er. Vielleicht ja doch.

© SZ vom 4.6.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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