Islamische Gesellschaft:Persisches Elixier

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In Iran werden Frauen systematisch unterdrückt. Und jetzt gewinnt plötzlich eine 18-Jährige Bronze in Rio.

Von Bahareh Ebrahimi

An den Autobahnen Teherans hängen derzeit Plakate, die das Bild einer Frau zeigen. Und zum ersten Mal in der Geschichte des Landes geht es nicht um Werbung für ein Spülmittel, für Pasta oder eben gleich Hidschabs. Stattdessen ist auf dem Bild die 18-jährige Taekwondokämpferin Kimia Alizadeh zu sehen, siegesfroh mit der Nationalflagge Irans in der Hand. Sie war in diesem Jahr in Rio die erste Iranerin aller Zeiten, die eine olympische Medaille erringen konnte, nämlich die Bronzemedaille in der Kampfsport-Klasse bis 57 kg. Der Tag ihres Sieges, der 18. August, ist ein historisches Datum für die Frauen in Iran. Kimia Alizadeh war außerdem die jüngste Person, die je als Mitglied einer iranischen Delegation zu den Olympischen Spielen entsendet wurde.

Ihre Leistung fand solch ein großes Echo, dass sogar der iranische Präsident Hassan Rohani sie lobte. "Meine Tochter, Kimia, du hast alle, besonders die iranischen Frauen glücklich gemacht. Ich wünsche dir ständiges Glück", twitterte Rohani am Siegestag. Doch es war nicht das Lob des Präsidenten, das diese Bronzemedaille so unglaublich wichtig für Iran macht. Hier geht es um eine neue Ära des Frauensports in dem Land.

Nach Angaben des iranischen Ministeriums für Sport wird Frauensport mit circa 30 Prozent des Gesamtbudgets gefördert. Iranerinnen treten bei Olympischen Spielen vor allem im Schießen an, und jetzt eben auch im Taekwondo. Aber es gibt viele Sportarten, an denen die Iranerinnen wegen der Kleidernormen ihres Landes nicht international teilnehmen dürfen.

Die Unterdrückung iranischer Sportlerinnen gipfelt in der Frage: Warum muss eine Frau überhaupt Sport machen? Sie wird in Iran andauernd gestellt, von Imamen, von konservativen Abgeordneten und sogar von Schulleiterinnen. Geht es nach ihnen, dürften Frauen überhaupt keinen Sport anschauen. Während der Vorrunde zur Volleyball-Weltliga der Männer im Jahr 2014 verbot der iranische Staat Frauen, die Stadien zu betreten. Die damalige Parlamentsabgeordnete Fatemeh Alia sagte dazu: "Es ist die Aufgabe der Frau, Kinder zu bekommen und sich um ihre Kinder und ihren Mann zu kümmern - und nicht, sich Volleyball anzuschauen."

Zu Fußballspielen iranischer Männermannschaften dürfen Frauen nicht in die Stadien; das ist so seit der islamischen Revolution. Der Staat versucht nach wie vor, die Geschlechter im öffentlichen Raum zu trennen. In den Schulen sind Mädchen und Jungen getrennt, wie auch Männer und Frauen in Moscheen, Sporthallen und sogar in staatlichen Hochzeitssälen. Da tanzt dann der Bräutigam mit den Männern in einem Raum und die Braut mit den Frauen in einem anderen.

Beim staatlichen Fernsehen gibt es Menschen, deren Aufgabe es ist, das Bild zu zensieren, wenn bei Sportübertragungen aus anderen Ländern Frauen im Publikum zu sehen sind, die sich zum Beispiel durch das Schwenken einer Fahne als Iranerin identifizieren, aber kein Kopftuch tragen. Iranische Beamte und manche Kommentatoren waren deshalb ratlos, was sie an der siegreichen Taekwondokämpferin loben sollten. Manche entschieden sich allen Ernstes dafür, ihr Kopftuch hervorzuheben. In einem Land, in dem man versucht, Frauen möglichst wenig öffentliche Präsenz zuzugestehen, hat die 18-jährige Kimia Alizadeh sich mit ihrem Image ihren Platz erzwungen.

Ihr Name bedeutet übersetzt "Elixier". Auch in Anbetracht dessen darf man auf ihre Magie hoffen.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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