Interview mit Verleger Holtzbrinck nach dem Verkauf der "Berliner Zeitung":"Die haben Weitsicht, Mut und Finanzkraft"

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Der Verleger Stefan von Holtzbrinck hat britische Investoren für die "Berliner Zeitung" gefunden. Im ehemals eigenen Haus wurden sie schon vor Vertragsabschluss als "Heuschrecken" bezeichnet und jetzt auch so empfangen. Im Interview erläutert der Einundvierzigjährige, welche positiven Seiten dem "Deal" abzugewinnen seien.

Hans-Jürgen Jakobs

Stefan von Holtzbrinck, 41, ist promovierter Jurist. Seit Mai 2001 leitet er die in Stuttgart ansässige Holtzbrinck-Verlagsgruppe, die im Jahr rund zwei Milliarden Euro umsetzt. Zeitungen tragen dazu 35 bis 40 Prozent bei. SZ: Herr von Holtzbrinck, Ihrer Meinung nach ist der Name Holtzbrinck nichts, was ¸¸bekannt sein müsste oder sollte". Nun sind Sie durch den Verkauf des Berliner Verlags an anglo-amerikanische Investoren zum Thema geworden. Lief da etwas aus dem Ruder?

(Foto: Foto: ddp)

Stefan von Holtzbrinck: Unser Name war schon in der Presse, als wir zuvor versuchten, auf Basis eines überzeugenden Kooperations-Konzepts den Berliner Verlag mit unserem Tagesspiegel zu verbinden. Das wäre für Berlin die richtige Lösung gewesen. Schon diese Öffentlichkeit war ungewohnt und nicht Zweck unseres Familienunternehmens.

SZ: Nun gibt es harte Vorwürfe. In einem Aufruf beklagen 140 Prominente, dass Raffgier von Finanzabenteurern den publizistischen Ruin bedeuten könne.

Holtzbrinck: Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Investoren sind verlegergeführt. Sie können ihre Ziele nur erreichen, wenn sie einhalten, was sie versprechen: Dass sie zu den Qualitätsstandards der Berliner Zeitung und zum Erfolg des Berliner Kuriers stehen - und daran nichts ändern wollen. Erfolgreich kann der Berliner Verlag nur durch Wachstum sein, nicht durch weitere Sparmaßnahmen. Auf dem hiesigen Medienmarkt sind Finanz-Unternehmer bereits heute keine Seltenheit.

SZ: Der Kauf des Berliner Verlags war von Anfang an kartellrechtlich problematisch. Haben Sie das Risiko unterschätzt?

Holtzbrinck: Wir haben uns intern lange mit Fragen des Kartellrechts auseinander gesetzt und es uns nicht leicht gemacht. Die Entscheidung für den Kauf basierte auf der Überzeugung, dass es uns erlaubt werden müsste, in Berlin eine Nummer zwei in der Auflage und im Anzeigenaufkommen sein zu dürfen.

SZ: Das Kartellamt hat das Geschäft erfolgreich untersagt. Haben Sie diesen worst case wirklich vorher einkalkuliert, wie Sie immer erklärt haben?

Holtzbrinck: Wir haben damit gerechnet, einen langen Weg zu gehen. Am Ende, nach dreieinhalb Jahren, ist das Ergebnis für unsere Gruppe sicherlich nicht das beste.

SZ: Selbst Ihr Tagesspiegel schreibt, man könne die Verantwortlichen bei Holtzbrinck mit Fug und Recht fragen, was sie mit dem Kauf am Ende erreicht haben, außer zwei ohnehin geprüfte Zeitungshäuser abwechselnd zu verunsichern und zu ängstigen.

Holtzbrinck: Ich gebe zu, dass es für die Mitarbeiter in beiden Häusern keine leichte Zeit war. Jüngst wurde die Verunsicherung zudem durch die Chefredaktion der Berliner Zeitung geschürt, ohne dass man dem neuen Eigentümer Gelegenheit gegeben hätte, wirklich Stellung zu nehmen. Und: Welche Entscheidungen in deutschen Zeitungshäusern waren in den letzten Jahren schon leicht?

SZ: Mitte 2002 haben Sie für den Berliner Verlag den Sender n-tv sowie etliche Radiobeteiligungen hingegeben, die sich seitdem nicht gut gerechnet haben. Nun bekommen Sie rund 160 Millionen Euro. Hat es sich ökonomisch gelohnt?

Holtzbrinck: Wir haben keinen Nutzen gezogen. Es hat sich gezeigt, dass Zeitungen im Vergleich zum Nachrichtenfernsehen das solidere Geschäft sind.

SZ: Eine Zeitung in der Hauptstadt mussten Sie verkaufen. Warum war es nicht der Tagesspiegel?

Holtzbrinck: Wir haben seit fast einem Jahr Gespräche in beide Richtungen geführt. Das mussten wir, weil schwer abzusehen war, wer sich im schwierigen Berliner Markt überhaupt engagieren würde. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum die Entscheidung so gefallen ist. Ich möchte nur eines betonen: die Interessenten am Tagesspiegel waren fast alle Filialisierung-Kandidaten - sie hätten aus ihm eine Lokal-Ausgabe gemacht und ihm so die Unabhängigkeit genommen.

SZ: Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Berliner Zeitung, sagt: ¸¸Holtzbrinck hat unsere Zeitung nie wirklich verstanden."

Holtzbrinck: Das ist kein angemessener Kommentar. Wir mussten aus Kartellgründen zurückhalten. Ich habe Herrn Vorkötter nur einmal gesehen und das Gebäude nie betreten dürfen.

SZ: Die Mitarbeiter im Berliner Verlag haben gegen den Deal protestiert. Haben Sie dafür Verständnis?

Holtzbrinck: Sie hatten angesichts der öffentlichen Darstellung wohl kaum eine andere Wahl, als sich so zu verhalten.

SZ: Sie zeigten Plakate mit Heuschrecken, ein Schimpfwort für Finanzinvestoren. Viele sehen nun einen Kulturbruch im deutschen Zeitungsmarkt.

Holtzbrinck: Für die Berliner Zeitung hätte es auf jeden Fall einen Umbruch gegeben, auch bei einem deutschen Übernehmer aus der Verlagsbranche. Das Flensburger Tageblatt kaufte vor kurzem die Schweriner Volkszeitung: Jeder Dritte wird entlassen. Das Konzept der Finanzinvestoren in Berlin ist auf fünf bis zehn Jahre angelegt. Es handelt sich um einen in langen Zeiträumen denkenden Private-Equity-Fonds, aber nicht um einen spekulativen Hedge-Fonds, die bei der H-Debatte auftauchen. Zudem sind die neuen Eigentümer parteipolitisch nicht gebunden.

SZ: Dagegen steht der schlechte Ruf des Haupt-Investors David Montgomery.

Holtzbrinck: Die Kritik widerspricht den Auskünften, die wir im Ausland eingeholt haben. Ich habe ihn als sehr besonnenen, standfesten Mann kennen gelernt, der sich in der Tat in Großbritannien den Neid einiger Kollegen erworben hat. Montgomery hat den Wert der fast bankrotten Mirror Group erheblich gesteigert. Man muss ihn und seine Mitstreiter nun an den Taten messen.

SZ: Im deutschen Privat-TV hat Haim Saban innerhalb von zwei Jahren seinen Einsatz bei Pro Sieben Sat 1 verdreifacht. Was ist bei Zeitungen denkbar?

Holtzbrinck: Im relativ festen Zeitungswesen ist, anders als bei Sabans Coup, kein schneller Gewinn möglich.

SZ: Wird Montgomery weitere Zeitungshäuser kaufen können?

Holtzbrinck: Das Internet verändert stark den Markt. Und in einigen Häusern stellt sich die Frage der Generationenfolge. Deshalb könnte sich in absehbarer Zeit einiges verändern.

SZ: Sie wollen auch weiter kaufen?

Holtzbrinck: Wir sind bisher immer wieder an Grenzen des Kartellrechts gescheitert - was nicht heißt, dass wir nicht weitere Versuche unternehmen würden. Es muss kartellrechtlich künftig die Chance geben, sich zu größeren Unternehmungen zusammenzuschließen. Vor allem, wenn man an neue Konkurrenten wie Google, Ebay und Yahoo denkt. SZ: Der Tagesspiegel soll im Monat September eine Million Euro Gewinn gemacht haben. Ist die Lage dort gar nicht so schlecht wie immer gedacht?

Holtzbrinck: Die ökonomische Situation des Tagesspiegels hat sich verbessert. Sie ist nach wie vor nicht glänzend, aber auch nicht so drückend, dass wir es nicht verkraften könnten.

SZ: Die Zeit aus Ihrer Verlagsgruppe hatte unter dem Vorbesitzer Gerd Bucerius viele Jahre Verlust gemacht und wurde doch am Leben erhalten. So etwas erscheint bei Finanzinvestoren undenkbar.

Holtzbrinck: Es gibt in Renditefragen sicherlich einen Unterschied zwischen unserem Haus und Finanzinvestoren. Bei uns ist die Neigung stärker, sich mit schwierigen Fällen zu beschäftigen und sie langsam zu drehen. Das gilt neben dem Tagesspiegel auch für die Zeit.

SZ: Also gibt es doch besondere verlegerische Werte.

Holtzbrinck: Ja, selbstverständlich. Aber es gab - und darauf spielen Sie an - mit eventuell einer Ausnahme keinen deutschen Verlag, der in Berlin signifikant investiert und an die Zukunft der Zeitung in diesem Markt geglaubt hätte. Insofern beweisen die Investoren Weitsicht und Mut - und sie besitzen die notwendige Finanzkraft.

SZ: Der Kölner Verlag DuMont Schauberg und die Essener WAZ-Gruppe sollen interessiert gewesen sein.

Holtzbrinck: Wir hatten mit dem Haus DuMont seit dem Frühjahr Gespräche. Das erste konkrete Angebot aber kam vergangene Woche. Da waren wir bereits in so fortgeschrittenen Verhandlungen - in der Due Diligence. Die WAZ nun hat erklärt, sie habe kein strategisches Interesse am Berliner Zeitungsmarkt.

SZ: Man könne das nicht nur als wirtschaftliche Transaktion sehen, sagt Kulturstaatsministerin Christina Weiss.

Holtzbrinck: Zeitungen sind unbestrittenermaßen ein Kulturgut. Sie brauchen aber die ökonomischen Voraussetzungen hierfür, sie sind keine subventionierten Opernhäuser. Wir können uns nur wünschen, dass alle Zeitungen einträglich bleiben. Pikant ist, dass ausgerechnet unsere schärfsten journalistischen Kritiker für satte Monopolverlage schreiben, deren Rendite-Erwartungen über jenen der Finanzinvestoren liegen.

SZ: Leidet Ihr Ansehen in der Verlegerschaft, weil Sie ausländische Kapitalgruppen in den Markt lassen - und so gegen den Branchencomment verstoßen?

Holtzbrinck: Ich möchte uns gern an Erfolgen bei unseren Buchverlagen oder beim Handelsblatt oder der Zeit gemessen sehen - nicht aber an Vorverurteilungen gegenüber Dritten, die noch keinen Anlass zur Kritik geboten haben. Die Perspektive aus dem Ausland ist da eine andere: Da fragt man sich, wieso Angelsachsen, die uns 1945 Lizenzen zum Zeitungmachen gegeben und 1990 durch die Zwei-plus-Vier-Verträge die Pressefreiheit in Ostberlin ermöglicht haben, warum diese Ausländer in Deutschland nicht in einer Stadt willkommen sind, die an Investitionsmangel leidet. Die H-Debatte hinterlässt darüber hinaus im Ausland einen sehr schalen Geschmack, weil sie an ein Vokabular anknüpft, das Assoziationen zwischen Ungeziefer und Finanztum hervorruft - und mit der Zeit zwischen 1933 und 1945. Auf diesen Comment sollten wir achten.

SZ: Freuen Sie sich, dass es nun vermutlich wieder ruhiger um Sie wird?

Holtzbrinck: Anonymität ist nicht unser Markenzeichen. Es geht in den Medien vor allem darum, das man mit vielen Menschen in Kontakt kommt und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Wir werden daher kein anonymes Unternehmen werden - aber ein diskretes Familienunternehmen bleiben wollen.

Interview: Hans-Jürgen Jakobs

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.247, Mittwoch, den 26. Oktober 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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