Interview mit K.J. Behrendt:"Wenn man Lear spielt, wird man auch nicht wahnsinnig"

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Ein Kanzler und Kommissar. Die Menschen lieben ihn im "Tatort". Aber werden Sie ihn auch in seiner Rolle als Bundeskanzler lieben? Klaus J. Behrendt über die Serie "Kanzleramt", den Stil der Politik und so manchen Satz heißer Ohren.

Interview: Christopher Keil

Vor allem als ARD-Tatort-Kommissar Max Ballauf ist Klaus J. Behrendt dem Publikum bekannt. Doch der 45-jährige Schauspieler ist vielseitiger. In dem Emmy-prämierten Alzheimer-Drama Mein Vater überzeugte er an der Seite von Götz George, am 9. April wird er in der Familienkomödie Das Gespenst von Canterville (Sat 1) zu sehen sein, und als ZDF-Kanzler Andreas Weyer muss er jetzt im harten Regierungskampf die menschlichen Schwächen und Stärken seiner Mitarbeiter ausbalancieren.

Immer das ganze Rumgezocke: ´Niemals kommst du in diese Position, vorher mache ich dich kaputt´, und so." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Behrendt, hatten Sie diesen Kindertraum: Einmal müssen alle machen, was ich will?

Klaus J. Behrendt: Sie meinen, "Wenn ich König von Deutschland wär' "?

SZ: Oder Bundeskanzler.

Behrendt: Keine Träume. Mich hat die Macht interessiert. Was macht diese Macht aus? Ich habe als Kanzler immer ein Geschwader von Leuten um mich herum. Ich fahre immer in einem Tross ausschließlich schwarzer Limousinen. Ich habe Leute, die mich beschützen, es steht immer ein Flugzeug, ein Hubschrauber für mich bereit. Ich kann das alles bedienen, und das wird zur Gewohnheit. Und ich glaube, dass man dann kaum noch oder nur sehr schwer loslassen kann.

SZ: Sind Sie ein politischer Mensch?

Behrendt: Zum Teil, jedenfalls keiner, der morgens den Politikteil einer Zeitung rauf und runter liest. Aber ich möchte schon Bescheid wissen. Ich will kein Mensch sein, der nichts ahnend durch die Welt geht.

SZ: Hat Sie die Serie Kanzleramt stärker politisiert?

Behrendt: Wir spielen ja nur, und ich habe mich in meiner Rolle, wie alle, um Glaubwürdigkeit bemüht. Manchmal habe ich tatsächlich überlegt, was würdest du jetzt mit einem insolventen Aluminiumwerk machen, wenn du am Hebel säßest, was mit den 20.000 Arbeitsplätzen?

SZ: Die Handlung um Arbeitsplätze in einem Alu-Werk wurde mit einer blutigen Verstrickung angereichert. Die Spur führte ursprünglich nach Mosambik.

Behrendt: Ja, doch dann gab es rechtliche Probleme. Jetzt gibt es statt Mosambik einen Fantasie-Landesnamen. Ich glaube, dass man sich mit dieser Serie rechtlich sowieso immer mal einen Satz heißer Ohren einfängt.

SZ: Gedreht wurde in einer ehemaligen Fabrikhalle in Berlin-Siemensstadt. Dort ließ der Produzent für 700.000 Euro das Berliner Kanzleramt nachbauen. Sie wohnen in Berlin - und man fragt sich, wie das ist, als deutscher Bundeskanzler Heimschläfer zu sein?

Behrendt: Unspektakulär. Ich wurde morgens vom Produktionsfahrer abgeholt. Ich hatte wie jeder Jeans, Turnschuhe und Lederjacke an. Ich zog mich um, stand im Dreiteiler vor dem Spiegel, ging in die Maske, und als ich mich dann sah, war es wie: Hey, bumm, los geht's. Aber genau so, wie ich den Dreiteiler anzog, zog ich ihn wieder aus.

SZ: War die Rolle nie eine Bürde?

Behrendt: Wenn man im Theater den König Lear spielt, wird man auch nicht wahnsinnig und stirbt.

SZ: Die ARD hatte ein ähnliches Projekt, allerdings nicht als Serie, sondern als Spielfilm: 11011 -- Spiele der Macht wurde abgewählt mit 5,6 Prozent Marktanteil. Dabei war der Film sehr gut. Ist das Thema Politik eine zu hohe Eintrittshürde für Fernseh-Unterhaltung?

Behrendt: Habe ich mich auch gefragt. Vielleicht waren die Menschen damals Tsunami-fixiert und hatten keine Lust auf gespielte Politik. Außerdem lief parallel die mit großer Zuschauerbeteiligung im ersten Teil eingeführte Patriarchin mit Iris Berben. Waren es also unglückliche Programm-Umstände? Oder liegt grundsätzliches Desinteresse am Sujet Politik zugrunde? Wir werden es sehen. Wenn es nach vier Folgen nicht läuft, wird es keine zweite Staffel Kanzleramt geben, denke ich. Hopp oder Top.

SZ: Es gab Kritik, dass die Serie sich fiktional gibt, aber in der Ausstattung und bestimmten Rollen die Nähe zur Realität sucht.

Behrendt: Wir machen Fiktion. Und ich finde, man kann Politik fiktional interessant verkaufen. Es bleibt alles sehr menschlich, das ganze Rumgezocke: "Niemals kommst du in diese Position, vorher mache ich dich kaputt", und so. Was da abgeht hinter verschlossenen Türen: Die Unfähigkeit des allein erziehenden Kanzlers, zur rechten Zeit bei seiner Tochter zu sein.

SZ: Vier verschiedene Regisseure verantworten die zwölf Folgen. Wird das nicht allein stilistisch zum Problem?

Behrendt: Jeder der vier hat natürlich seine eigene Handschrift, seinen Erzählrhythmus, seine Bildsprache. Die Unterschiede wird man sehen. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, welcher Stil mir am besten gefällt.

SZ: Sie waren fünfeinhalb Monate am Set. Sie müssten es wissen.

Behrendt: Unterschieden haben sich die Arbeitsweisen. Jakob Schäuffelen, der anfänglich Regie führte, ließ jeden Tag 15 Stunden drehen. Er ist der Überzeugung, dass Schauspieler erst dann Qualitäten zeigen, wenn sie vollständig erschöpft sind. Irgendwann war der Akku leer. Da warst du platt, aber dann kamen die anderen, Blumenberg, Wenning und Keglevic, und mit ihnen hat sich das grundlegend geändert.

© SZ vom 23.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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