Interview mit Bret Easton Ellis:Ich habe dieses Monster mitkreiert

Lesezeit: 6 min

Ein Gespräch mit Bret Easton Ellis über Tränen, Songs, Philip Roth und seinen eigenen Roman "Lunar Park".

Bret Easton Ellis: Also - was wollen Sie wissen?

Christian Bale in der Verfilmung von "American Psycho". (Foto: Foto: AP)

SZ: Alles über Ihr neues Buch zum Beispiel.

Ellis: Kann man inzwischen nicht alles, was ich jemals gesagt habe, im Internet herausfinden? Können Sie daraus nicht einfach ein Interview mit Ihren Lieblingszitaten von mir zusammenschustern?

SZ: Ich befürchte, das wäre nach gängigem Recht ein Plagiat. Wir können aber auch gerne über etwas anderes reden.

Ellis: Nein, nein. Jedes Interview läuft ja anders ab und die Journalistenfragen werden ja niemals in derselben Reihenfolge gestellt, deswegen ist jedes einzelne Interview ein bisschen wie eine kleine Schneeflocke.

SZ: Na gut, dann fangen wir eben mit all den anderen Interviews an, in denen Sie die Beantwortung der Frage, wie viel vom biografischen Teil von "Luna Park" Tatsachen sind, verweigern. Irgendeinen Grund muss es aber doch gehabt haben, dass Sie mit einer Biografie beginnen, die in einen Suburbiaroman mündet, den sie dann mit Horrorgeschichten zerfetzen.

Ellis: Ich wollte einen Stephen-King-Roman schreiben. Das war alles. Jetzt bekomme ich von all diesen Leuten Briefe und E-Mails, die da alle möglichen Bedeutungen hineinlesen, obwohl ich ganz einfach meine Hommage an Stephen King geschrieben habe.

SZ: Aber Sie fangen mit dieser Pseudobiografie an...

Ellis: Ich brauchte eben einen Weg, den Erzähler in das Spukhaus zu kriegen und ich wusste, dass er ein Autor sein würde, der sehr an mich erinnert. Das war alles. Ich habe nicht damit gerechnet, dass diesem ersten Kapitel so viel Bedeutung zugemessen wird.

SZ: Sie gelten eben als Stimme Ihrer Generation...

Ellis: Natürlich hätte ich es wissen müssen. Als Stimme meiner Generation habe ich mich aber höchstens mal ganz am Anfang ein, zwei Jahre lang gefühlt.

SZ: Hatte es denn irgendeine Auswirkung auf Sie oder Ihre Arbeit, zur Stimme Ihrer Generation gekürt zu werden?

Ellis: Nein. Sie müssen verstehen, dass ich für meine Arbeit schon so oft abgewatscht wurde, dass ich diese Art von Selbstherrlichkeit gar nicht zustande bringe. Aber so bleibt man ganz gut auf dem Boden der Tatsachen.

SZ: Meinen Sie damit die Kritik an "American Psycho"?

Ellis: Ich meine damit, wie man mich für jedes meiner Bücher abgewatscht hat. Ich bin im literarischen Establishment nicht besonders beliebt und bei den Kritikern schon gar nicht.

SZ: Warum werden Sie so kritisiert?

Ellis: Die mögen eben meine Bücher nicht, über was ich schreibe, wie ich schreibe. Zumindest hoffe ich, dass das alles rein ästhetische Gründe hat. Aber ganz ehrlich - so viele Gedanken mache ich mir darüber auch nicht. Ich mache mir darüber Gedanken, wo ich heute Abend Essen gehe, mit wem ich Sex haben werde oder wo ich übers Wochenende hinfahre.

SZ: Das mag sein, aber ist die Ansage, dass Sie einen Stephen-King-Roman schreiben wollten, nicht gerade in diesem Zusammenhang sehr kokett?

Ellis: Gibt es da irgendwelche Regeln? Habe ich irgendetwas zu tun oder zu lassen? Ich wollte einen Stephen-King-Roman schreiben. Punkt. Ich verstehe nicht, warum sich alle so darüber aufregen. Mein eigener Verleger hat mich gebeten, das mit Stephen King doch ein bisschen runterzufahren, weil sie dieses Buch nicht als Horrorroman verkaufen wollen. Wahrscheinlich mögen ernsthafte Leser keine Horrorromane, und deswegen wollen sie das lieber herunterspielen und stärker das Familiendrama in der Suburbia betonen. Das scheint jedenfalls attraktiver zu sein als kleine, haarige Monster und dämonische Puppen und all das. Aber das sind eben Dinge, die ich gerne mag. Ich hasse die Suburbiasatire. Ich musste die 100 Seiten Suburbiascheißsatire nur schreiben, damit ich diesen verdammten Terby durchs Schlafzimmer fliegen lassen konnte und er sich mit seinen Krallen auf die Kinder stürzen kann. Ein Bedürfnis, die Dinge zu verspotten, kenne ich nicht mehr. Das habe ich 20 Jahre lang gemacht.

SZ: Gilt der Suburbiaroman nicht als die große Herausforderung der amerikanischen Literatur?

Ellis: Leider ist das so. Aber ich will ganz bestimmt nicht in die Fußstapfen von Richard Yates, John Cheever oder Updike treten. Ich habe den postmodernen Roman studiert, deswegen wusste ich, dass ich so etwas niemals mit ernster Miene schreiben könnte und das irgendwie aufmischen muss.

SZ: Definiert sich so die so genannte "Transgressional Fiction", das Genre, das Sie angeblich lanciert haben?

Ellis: Jaja, die Nummer kenne ich. Glauben Sie kein Wort. Das ist ganz alt. Damit habe ich nichts zu tun.

SZ: In einschlägigen Werken findet man Sie aber als wichtigsten Autor dieser "grenzüberschreitenden Literatur".

Ellis: Das beruht alles auf einem einzigen Essay von Elizabeth Young. Sie hat damals geschrieben, dass es eine neue Autorengeneration gibt, die mehr Grenzen überschreitet und Tabus verletzt als jede andere Generation zuvor. Vor allem was Sex und Gewalt betrifft.

SZ: Wer gehörte zu dieser Generation?

Ellis: Jay McInerney wurde da erwähnt, Tama Jaowitz, Dennis Cooper, Mary Gaitskill. Und "American Psycho" wurde eben als bestes Beispiel dafür angeführt.

SZ: Aber dann ist dieses Genre doch etwas Handfestes...

Ellis: Ja doch, das ist schon handfest. Aber als ich "American Psycho" und "Less Than Zero" geschrieben habe, habe ich mir über solche Sachen keine Gedanken gemacht. Erinnern Sie sich? Ich habe andere Sorgen. Gerade zum Beispiel - was lade ich mir auf meinen iPod?

SZ: Was haben Sie sich denn so auf ihren iPod geladen?

Ellis: Ich kann das ja nicht, das macht mein Assistent, der hat mir für meine Lesereise irgendwie 9000 Songs draufgeladen. Aber das war meine Rettung. Ich war in ganz Europa und Amerika und der iPod war so etwas wie meine Nabelschnur.

SZ: Die wichtigsten Songs?

Ellis: "Crafty" von New Order. Dann dieser Song "Chicago" von Sufjan Stevens. Und Coldplay. "Fix You" und "The Scientist". Coldplay ist die beste Band der Welt, um in Flughäfen auf Flüge zu warten. Hören Sie sich mal "The Scientist" an, wenn sie durch ein überfülltes Terminal müssen. Das ist so traurig, das bringt Sie zum Heulen. Ich habe ja wirklich geweint. Im Flughafen von Manchester. Und dann in Glasgow. Ich habe bestimmt für zwei, drei Stunden geweint, das war total hysterisch. Ich weiß auch nicht, warum ich Ihnen das erzähle.

SZ: Warum haben Sie denn geweint?

Ellis: Erschöpfung? Mein Terminplan ist auf diesen Reisen so voll gepackt.

SZ: Spielt Musik bei Ihrer Arbeit eine Rolle?

Ellis: Eigentlich nicht. Film auch nicht. Ich werde eher von anderen Autoren beeinflusst. Stephen King sowieso. Und diesmal war es Philip Roth. Ich habe zentnerweise Roth gelesen, während ich an "Lunar Park" geschrieben habe. Er ist dabei mein liebster lebender Autor geworden. Der macht einem Hoffnung.

SZ: Was für Hoffnung?

Ellis: Dass man mit 70 seine Fähigkeiten noch voll ausschöpfen kann. Dass man kein langweiliger, zielloser Autor wird, sondern immer noch lebendiger, cooler und klüger sein kann als alle jüngeren Zeitgenossen.

SZ: An was schreiben Sie denn gerade selbst?

Ellis: An einem Buch über Los Angeles und Hollywood. Da geht es auch um eine Figur, die in die Vergangenheit zurückblickt. Es wird die Fortsetzung von "Less Than Zero".

SZ: Verbringen Sie wieder viel Zeit in ihrer Heimatstadt Los Angeles?

Ellis: Ich habe da für 19 Monate gelebt, bevor die amerikanische Lesetour im August anfing.

SZ: Wie war es, nach New York zurückzukommen?

Ellis: Ach, ich glaube, jetzt haben wir genug geredet. Das müssen wir jetzt nicht auch noch durchkauen.

SZ: Falls Sie befürchten, dass ich jetzt auf die unvermeidliche 9-11-Frage hinaus will ...

Ellis: Zu dem Thema habe ich irgendeiner deutschen Zeitung ein Interview gegeben. Warum bloß? So ein Schwachsinn. Mir ging der 11. September sehr nahe. Aber entweder wollten meine Leser nicht wahrhaben, dass ich so sentimental sein kann, oder sie haben geglaubt, dass ich nur so tue, was noch ekelhafter wäre.

SZ: Das klingt ja eher unangenehm.

Ellis: Ich weiß, man gesteht mir meine eigene Persönlichkeit nicht zu. Der echte Bret Easton Ellis existiert nicht, nur dieser Frankenstein, der aus allen möglichen Teilen zusammengesetzt ist und der Bret Easton Ellis repräsentiert, wenn man Bret Easton Ellis sagt. Der echte Bret Easton Ellis könnte genauso gut tot sein.

SZ: Das scheint sie ja sehr mitzunehmen.

Ellis: Ach, eigentlich schere ich mich nicht mehr darum. Ich habe ja mitgespielt und geholfen, dieses Monster zu kreieren.

SZ: Haben Sie denn den Kontakt zum echten Bret Easton Ellis noch aufrecht halten können?

Ellis: Ich glaube nicht. Freunde sagen mir manchmal, dass ich den nicht mehr habe. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich den noch habe. Das klingt ja jetzt alles ganz eigenartig. Werden Sie das in Ihre Geschichte schreiben?

SZ: Das wird ein reines Interview.

Ellis: Ein reines Interview? Na gut. Ich klinge auf Deutsch sowieso immer viel klüger, als auf Englisch.

© SZ vom 3.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: