Interview: J. Malkovich:Jeder hat ein Recht auf Wut

Lesezeit: 3 min

John Malkovich über Pazifismus, faszinierende Fieslinge und seinen ersten selbstgemachten Film

John Malkovich gilt als einer der aufregendsten amerikanischen Filmschauspieler. Doch meistens macht er Theater, auch in seiner Wahlheimat Frankreich. "Der Obrist und die Tänzerin" ist sein Debüt als Filmregisseur.

(Foto: SZ v. 20.01.2003)

SZ: Sie wollten schon lange einen Film inszenieren. Warum hat es erst jetzt geklappt?

Malkovich: Als ich vor 20 Jahren in New York Stücke inszenierte, wurde mir vorgeschlagen, "Der talentierte Mister Ripley" von Patricia Highsmith zu verfilmen. Wir mussten damals mit Robert Hakim, dem Produzenten von "Plein Soleil" verhandeln, der die Rechte daran besaß. Aber nichts geschah. Danach sollte ich ein amerikanisches Theaterstück von Wallace Shawn verfilmen, in dem eine Frau ihren Mann eine Stunde lang anschreit. Aber Holly Hunter hat sich zehn Tage vor Beginn der Dreharbeiten aus dem Staub gemacht.

SZ: Ripley werden Sie aber jetzt spielen, in "Ripley's Game". Faszinieren Sie düstere Figuren?

Malkovich: Mich interessieren die schwarzen Seiten unserer Seele eher im philosophischen Sinne. Meine Rollen haben nur wenig mit meinem Leben, meinen Interessen zu tun. Bei meinem Film kann ich eigene Themen behandeln.

SZ: Was haben Sie von Regisseuren wie Schlöndorff, Frears und Bertolucci gelernt, mit denen Sie gearbeitet haben?

Malkovich: Ich habe gelernt, aber ich kann Ihnen nicht genau sagen, was. Die Art, wie sie die Welt sehen, ihre Kamera bewegen oder welchen Sinn sie für Rhythmus und das Erzählen haben. Mich haben gesellschaftskritische Filme wie die von Costa-Gavras - "Z " oder "Missing" - geprägt. Viele dieser Filme wirken heute beinahe naiv, aber mit politischen Themen versucht man als Regisseur, die Menschen zu alarmieren. Das kann scheitern. Aber ich finde es viel alarmierender, geistig beschränkte Filme zu machen in denen es nur um Explosionen und Spezialeffekte geht. Ein immer größeres Publikum wird ständig mit visuellen Effekten bombardiert. Das scheint sie weniger zu stören als politische Themen.

SZ: Also haben Sie "Der Obrist und die Tänzerin" mit einer klassischen Ästhetik des Kinos der 70er Jahre verfilmt.

Malkovich: Ich habe durch einige schmerzliche Erfahrung als Schauspieler gelernt, wie ich ein menschliches Gesicht nicht zeigen will. Daher wählte ich für diesen Film eine ganz bestimmte Ästhetik. Meine Mode- Filme für die Designerin Bella Freud sind ganz anders. Ich hatte schon immer meine eigenen visuelle Ideen. Aber ich hasse Trends. Die Filme, die heute hip sind, werden in ein paar Jahren völlig veraltet wirken. Heute sehen viele Filme aus wie Werbung. Mir geht es darum, eine Geschichte gut zu erzählen.

SZ: Warum gibt es kaum noch politisches Kino?

Malkovich: Viele politischen Filme lassen sich in einen Satz zusammenfassen. Ich finde Kunst nicht politisch, wenn sie Lösungen oder Gewissheiten verbreitet. Filme mit politischen Themen sind selten geworden, weil die Menschen davor zurückschrecken und sich aufregen. Aber ich habe doch auch das Recht, meine Wut über bestimmte Verhältnisse auszudrücken, oder?

SZ: Sind Sie Pazifist?

Malkovich: Wer Mord als politisches Mittel ansieht, hat ein großes Problem. Aber scheinbar wird dieses Prinzip in Europa, in den USA, auf dem Balkan, in Asien akzeptiert. Martin Luther King hat gewaltlos die Welt verändert. Ja, man hat ihn schließlich umgebracht. Aber hätte er selber Gewalt angewendet, wäre ihm seine moralische Autorität verloren gegangen. Es wäre obszön gewesen. Viele Menschen glauben, dass man für die Demokratie kämpfen muss. Gewalt liegt wohl in der Natur des Menschen. Aber aus politischen Gründen töten? Das kann ich nicht verstehen.

SZ: Fühlen Sie sich wohl als Amerikaner, der in Europa arbeitet?

Malkovich: Ich bin in vieler Hinsicht ein typischer Amerikaner, aber das hat mich nie abgehalten, andere Länder zu lieben und in verschiedenen Sprachen zu arbeiten. Die Franzosen haben ein besondere Art, ihre Gefühle zu zeigen. Vor allem die Ironie hat nichts mit dem zu tun, was ich aus dem Englischen kenne. Neue Erfahrungen machen mich glücklich.

SZ: Haben Sie hier mehr Freiheiten?

Malkovich: Es wird in den USA immer schwieriger, Leute für Projekte zu motivieren, die nicht sehr kommerziell sind. Wir haben so etwas mit dem Steppenwolf-Theater in Chicago versucht, aber im Kino gibt es für solche Abenteuer kaum Möglichkeiten. Ich sehe im Studiosystem nicht die Wurzel des Bösen, aber es ist ein knallhartes Geschäft.

SZ: Als Schauspieler könnten Sie Rollen in schlechten Filme auch ablehnen.

Malkovich: Ja, als Schauspieler hat man die Wahl, nicht zu arbeiten. Das habe ich oft genug gemacht.Interview: Marcus Rothe

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: