Interview:"Einer wie ich würde ermordet"

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Jesse Ventura, ehemaliger Profi-Wrestler und US-Gouverneur, über politische Quereinsteiger und den Medienkrieg.

Interview: Marc Hujer

SZ: Mister Ventura, Sie sind der erste Wrestling-Profi gewesen, der es zum Gouverneur geschafft hat. Was vermissen Sie aus Ihrer Amtszeit?

"Ich war für die Medien von Beginn an ein Witz": Jesse Ventura. (Foto: Foto: Reuters)

J esse Ventura: Es war schön zu wissen, dass man, wenn auch kurzfristig, einen Einfluss auf das Leben von Menschen hatte. Das vermisse ich. Und dann vermisse ich meine Parkmöglichkeiten.

SZ: Ihre Parkmöglichkeiten?

Ventura: Ja, meine Parkmöglichkeiten. Wenn man Gouverneur ist, kann man vor jedem Gebäude parken. Man kann im Halteverbot parken. Man kann parken, wo man gerade Lust hat. Wer sonst kann das alles tun?

SZ: Sie wollten Ihr Land verändern und haben sich 1998 zum Gouverneur von Minnesota wählen lassen. Hatten Sie Vorteile als politischer Quereinsteiger?

Ventura: Der Vorteil war, dass ich meine Entscheidungen auf Basis eigener Grundsätze machen konnte. Ich habe mich niemals verkauft.

SZ: An wen hätten Sie sich verkaufen können?

Ventura: An die Lobbyisten. Ich gehöre keiner Partei an, und ich brauche keine Erlaubnis von Geldgebern. Alle Republikaner und Demokraten haben sich irgendwann einmal verkauft. Sie hängen vom Kapital ihrer Geldgeber ab.

SZ: Ihr Vorteil ist, bekannt zu sein, so wie Ihr Freund und Filmpartner Arnold Schwarzenegger, der seit eineinhalb Jahren Gouverneur von Kalifornien ist.

Ventura: Arnold ist mit mir nicht vergleichbar. Arnold ist nur einer von vielen Republikanern. Ich habe eine wirkliche Wahl gewonnen. Gegen einen Demokraten und gegen einen Republikaner. Es war kein Trick wie die Wahl in Kalifornien, kein opportunistischer Trick.

SZ: Als Außenseiter haben Sie zu Beginn Vorteile bei den Medien gehabt. Sie waren unterhaltsamer als die anderen.

Ventura: Ich war nicht unterhaltsamer. Meine Gegner waren nur leicht zu schlagen. Sie schleppten zu viel Gepäck mit sich herum.

SZ: Sie meinen: zu viele Zwänge, Rücksichtnahmen, Anhänglichkeiten?

Ventura: Genau, Gepäck eben.

SZ: Irgendwann haben Sie ein Playboy-Interview gegeben, in dem Sie für den Geschmack vieler zu locker über Prostitution geredet haben. Ihre Umfragewerte sind dramatisch gefallen. War das Ihr entscheidender Fehler?

Ventura: Das Interview war aus dem Zusammenhang gerissen. Die Medien haben Sound Bites daraus in die politischen Schlagzeilen gebracht. Es wurde nur gemacht, um mich fertig zu machen.

SZ: Die Medien waren eigentlich Ihre Freunde. Gouverneur Jesse Ventura wäre ohne die Medien nie denkbar gewesen.

Ventura: Die Medien haben nichts für mich getan. Ich war für sie von Beginn an ein Witz. Sie haben mich nicht ernst genommen. Sie fanden mich originell, aber keiner hat geglaubt, dass ich je gewinnen werde.

SZ: Das ist vielleicht Ihr großer Vorteil gewesen. Aber dann haben Sie es den Medien ja ohnehin gezeigt. Die Medien hatten nach Ihrem Wahlsieg doch gar keine andere Chance, als Sie ernst zu nehmen.

Ventura: Aber deswegen hassten sie mich ja auch. Nachdem ich gewonnen hatte, nahm sich die Öffentlichkeit die Medien vor und sagte: Moment mal, ihr erzählt uns, dass ihr Experten seid, und ihr habt diesen Typen nicht kommen sehen? Das war peinlich für die Medien. Sie wollten beweisen, dass sie keinen Fehler gemacht haben.

Ventura: Aber die Medien haben mich persönlich attackiert. Sie sind meiner Familie nachgestiegen, meinen Kindern, es ging immer nur um mein Privatleben.

SZ: Was soll Bill Clinton sagen?

Ventura: Macht es das richtiger? Mein Sohn will hier nicht mehr leben, weil ihn die Medien fortgetrieben haben. Er ist nach Los Angeles gezogen.

SZ: Haben Sie sich nie als Politiker akzeptiert gefühlt?

Ventura: Als ich meine Kandidatur angekündigt habe, hielt man das allgemein für einen Werbegag.

SZ: Sie waren schon einmal in der Politik. Sie waren in den Jahren zwischen 1990 und 1995 Bürgermeister des Städtchens Brooklyn Park. Hat Ihnen das nicht geholfen?

SZ: Mit Kritik muss ein Politiker fertig werden. Das gehört zum Geschäft.

Ventura: Bei meiner Gouverneurswahl bin ich gegen einen Staatsanwalt und den Bürgermeister von St.Paul angetreten. Die Medien haben immer vom Staatsanwalt Skip Humphrey, von Bürgermeister Norm Coleman und dem ehemaligen Wrestling-Profi Jesse Ventura gesprochen. Ich war der einzige Kandidat, den sie jedes Mal mit einer ganz frühen Beschäftigung in Verbindung brachten.

SZ: Als Wrestler sind Sie eben berühmt geworden. Ist das nicht der Preis?

Ventura: Entschuldigung bitte, ich war ein früherer Bürgermeister. Das hätte man schreiben können.

SZ: Das Interesse an traditioneller Politik nimmt in Amerika ab. Gibt es für berühmte Außenseiter wie Sie deshalb eine Zukunft in der Politik?

Ventura: Ich glaube schon. Wenn ein Berühmter antritt, muss man den Namen des Kandidaten nicht mehr bekannt machen. Der ist schon bekannt. Und das spart viel Geld.

SZ: Können Sie sich Arnold Schwarzenegger als US-Präsidenten vorstellen?

Ventura: Er darf doch gar nicht antreten. Er ist nicht hier geboren.

SZ: Aber man kann die Verfassung ändern.

Ventura: Ich glaube nicht, dass Arnold Präsident werden sollte. Nichts gegen ihn persönlich. Aber jemand, der einen Schwur auf ein ausländisches Militär abgegeben hat, sollte nicht Präsident der Vereinigten Staaten werden.

SZ: Wie meinen Sie das?

Ventura: Arnold hat in der österreichischen Armee gedient. Das bedeutet, dass er einen Schwur auf die österreichische Armee abgelegt hat.

SZ: Träumen Sie von der Präsidentschaft?

Ventura: Nein. Ich glaube, dass ein Unabhängiger wie ich ermordet würde, sobald er eine Chance hätte, Präsident zu werden.

SZ: Was machen Sie jetzt?

Ventura: Ich würde mich zurzeit als Berater definieren, der nicht berät.

SZ: Wie meinen Sie das?

Ventura: Ich habe einen Drei-Jahres-Vertrag mit dem Fernsehsender MSNBC, aber sie lassen mich nicht auf Sendung.

© SZ vom 28.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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