Intendantenwechsel:Neuer Posten im Osten

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Peter Theiler geht von Nürnberg an die Semperoper

Von Egbert Tholl, München

"Es war ein Angebot, zu dem ich nicht nein sagen konnte." Wir befinden uns nicht in einem Mafia-Film, sondern Peter Theiler sitzt im Auto, da hat er Zeit zum Telefonieren, und das Angebot, von dem er spricht, sei "eine Herausforderung", nämlich die Intendanz der Semperoper in Dresden zu übernehmen. Gerade erlebt Theiler seine letzten Tage als Intendant des Staatstheaters Nürnberg; zehn Jahre war der gebürtige Schweizer in Franken, hatte zuvor Leitungspositionen in Gelsenkirchen, Nizza und Biel/Solothurn inne. Zehn Jahre, in denen er die Abozahlen von 7000 auf 12 000 steigerte, 85 Prozent Auslastung erzielte und erkundete, wie viel an einem "mittleren Staatstheater" möglich ist - sehr viel -, wie man dessen Betrieb in der Region mit Geduld und Ausdauer verankern und gleichzeitig Akzente setzen kann. In Nürnberg brachte Theiler, dem die Oper vor allem am Herzen lag und der das Schauspiel und das Ballett den Spartenleitern überließ, acht Opernproduktion pro Saison heraus. Das prägt einen Spielplan.

Die Semperoper in Dresden hat, nicht vollkommen zu Unrecht, immer wieder mit dem Ruf einer verschlafenen Spielstätte für Touristen zu kämpfen. Tatsächlich kommt die Hälfte des Publikums von außerhalb der Stadt. Die andere Hälfte aber nicht. So wie Peter Theiler in Nürnberg Oper für die Nürnberger machte, ihnen in Kooperationen auch Inszenierungen aus Bordeaux, Straßburg oder Toulouse zeigte. Über diesen Punkt denkt er auch für Dresden nach, allein schon um Budget und Werkstätten zu entlasten. Aber die Semperoper habe ein ganz anderes Alleinstellungsmerkmal, da müsse man Kooperationen noch viel genauer auswählen.

Theiler kam auf die Zusammenarbeit mit französischen Häusern nicht von ungefähr, ihn beschäftigen literarische Kreise, wenn er Repertoire plant. In den zehn Jahren seines Wirkens hat die Nürnberger Oper gerade im französischen Repertoire ganz außerordentliche Erfolge erzielt, die, wo der direkte Vergleich möglich war, neben Produktionen der Bayerischen Staatsoper in München weit mehr als bestehen konnten, etwa Rameaus "Les Indes galantes", ein zauberhaftes Kunststück.

Da man, so Theiler, als Intendant durchaus Wiederholungstäter sei, gibt es am Ende seiner ersten Saison in Dresden ein Stück, mit dem schon die Nürnberger Oper glänzte, Meyerbeers "Hugenotten". Und zwar inszeniert von Peter Konwitschny, der in Nürnberg regelmäßig arbeitete, wie auch Calixto Bieito, der die Dresdener Eröffnung inszeniert, Schönbergs "Moses und Aron", nicht unbedingt das gängigste Stück für Dresden. Bieito, Konwitschny, man könnte noch ein paar Namen von Regisseuren hinzufügen, aber das sind nun einmal die bekanntesten, waren für ein Haus der Größe von Nürnberg eine Sensation, an die man sich schnell gewöhnte. In Dresden werden sie dann vielleicht ästhetisch für Aufruhr sorgen.

Meyerbeer lässt Theiler auch wegen Wagner machen. Dresden ist Wagnerstadt, sein Werk bestimmt neben dem von Richard Strauss das Repertoire. Meyerbeer "rettete Wagner vor dem Hungertod", so Theiler; der bedankte sich mit der "unsäglichen" Schrift über das "Judentum in der Musik". Deshalb muss für Theiler Meyerbeer sein, Schönberg steht dann Strauss gegenüber, und in den kommenden Spielzeiten will Theiler sein "Faible für Rehabilitierung" ausleben, also Schreker, Zemlinski machen, von den Nazis verbotene Komponisten. Das sei eine Aufgabe an einem Haus wie Dresden; für Nürnberg, Stadt der Reichsparteitage, galt ihm das auch.

Als Theilers Berufung nach Dresden bekannt wurde, war der erste Reflex unter Kollegen: Weshalb tut er sich den komplizierten Chefdirigenten Thielemann an? Da hört man Theiler durchs Telefon lächeln, denn Thielemann, mit dem er sich gut verstehe, sei Chef der Staatskapelle und nicht der Oper, dirigiere in Theilers erster Saison fünf Mal "Ariadne" und zwei Mal den "Fliegenden Holländer". Außer an diesen sieben Abenden sei Theiler in der Wahl des Repertoires und der Dirigenten völlig frei, binde Omer Meir Wellber als ersten Gastdirigenten ans Haus und freue sich über die wunderbaren Möglichkeiten mit dem Orchester und dem ganzen Haus, an das er ausgewählte Menschen mitnimmt wie etwa die armenische Sopranistin Hrachuhi Bassenz, die in Nürnberg ihre Weltkarriere begann und gerade an der Wiener Staatsoper und in Covent Garden sang. Eine von vielen Sängerinnen und Sängern, die Theiler entdeckte, förderte.

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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