Installation:Gelandet

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Die schwimmfähige Einraumwohnung: Rasante Veränderungen fordern flexible Architektur. (Foto: Markus Heinsdorff)

Der Künstler Markus Heinsdorff entwickelt Objekte, die zu günstigem und mobilem Bauen anregen sollen. Nun steht sein "Space Ship" vor der Pinakothek der Moderne

Von Evelyn Vogel

Auf dem Münchner Immobilienmarkt wird ja gern von "individueller Lösung" gesprochen, wenn es darum geht, auch noch das winzigste Loch sündteuer zu vermieten oder die verschnittenste Wohnung zu Höchstpreisen zu verscherbeln. Doch ob Ein- oder Mehrraumwohnung, in der Regel sind sie aus Ziegel oder Beton gebaut, stellen damit dauerhafte Lösungen dar.

Nie zuvor jedoch waren temporäre Ansätze beim Bauen so gefragt wie in diesen Zeiten, in denen Millionen Menschen auf der Flucht die Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen. Immer häufiger müssen Unterkünfte leicht und robust, dabei einfach zu reparieren und zu transportieren sein. Zudem sollten sie aus einem Material bestehen, das schnell und kostengünstig vor Ort zu beschaffen ist, und sind sie zudem recycelbar, ist das das Tüpfelchen auf dem i.

Ganz ähnlichen Anforderungen begegnete der Münchner Künstler Markus Heinsdorff, als er Pavillons für die Präsentation Deutschlands in Indien und China entwerfen sollte. Heinsdorff entschied sich für Bambus als prägendes Baumaterial in China und für Stahl in Indien. Die Objekte tourten durch die Länder und wurden als Ausstellungs-, Konferenz-, Konzert- und Veranstaltungsräume eingesetzt - auch diese flexibel, leicht und robust, wie es gefordert worden war.

Während die Pavillons vorwiegend als Repräsentationsbauten genutzt wurden, sieht Heinsdorff in seinen sogenannten "Low-Cost-Bauten" ein viel größeres und wichtigeres Potenzial: die vielen Flüchtlinge weltweit und in verschiedenen Klimazonen schnell, kostengünstig und auf Zeit unterzubringen. Auch der Klimawandel mit den entsprechenden Folgen erfordert ein Umdenken. Deshalb sollen die Low-Cost-Bauten sogar Fluten standhalten.

Ein so konzipiertes, modulares Leichtbauobjekt stellt er nun in München vor und zwar vor der Pinakothek der Moderne: "Space Ship" nennt Heinsdorff die Installation. Sie ist sieben Meter lang, sechs Meter hoch und besteht aus dünnen, leicht biegbaren Profilen aus dem Stahl-Trocken-Bau. Mit den Schwimmkufen erinnert das "Raumschiff" ein wenig an ein Wasserflugzeug ohne Flügel, das auf dem Rasen vor dem Museum gestrandet ist. 16 Stahlfässer dienen als Schwimmer und Fundament, in dem Stützenraum darüber gibt es einen Holzsteg mit Lagerfläche und darauf sitzt ein Modul, in das je nach Bedarf eine Unterkunft eingebaut werden kann.

Das Objekt soll nach der mehrtätigten Präsentation vor der Pinakothek der Moderne auf Wanderschaft gehen. Heinsdorff plant zudem eine Fahrt auf einem großen See. Parallel dazu findet in der Immatrikulationshalle der Technischen Universität eine Ausstellung statt, in der Heinsdorff Modelle, Pläne, Bilder und Filme zum Thema "Low-Cost-Bauten" präsentiert.

Mit dem "Raumschiff" vor dem Museum, der Ausstellung und dem Workshop in der TU startet zudem das "Low Cost Lab", eine Zusammenarbeit zwischen Heinsdorff und dem Lehrstuhl für Architektur und Material von Florian Musso. Gemeinsam will man zum Thema Low-Cost-Bauten forschen und eine Art Baukastensystem entwerfen, das international und für die UN als temporäres Wohnsystem für Flüchtlinge zum Einsatz kommen soll.

Wer das "Space Ship" im derzeitigen Rohzustand anschaut, mag seine Zweifel an der konkreten Nutzung haben. Aber Heinsdorff ist - das muss man auch betonen - kein Architekt. Er ist Künstler, der sich seit Jahren mit Ökologie, sozialen Veränderungen, Architektur und Natur beschäftigt. Seine Objekte und Installationen realisiert er "an der Schnittstelle von Kunst, Design und Architektur" wie er betont. Sie sollen als "Experimente, Ideenlieferanten, Prototypen oder Lösungsvorschläge für Bauprojekte", dienen, wo es um Low-Cost-Bauten für Flüchtlinge oder in Krisengebieten geht. Voraussetzung, dass dies funktioniert, ist ein kreativer und individueller Umgang mit den Ideen. Man sollte also auch bei dem aktuellen Projekt ein wenig seine Phantasie bemühen, um sich vorzustellen, wie das Space Ship sich durch Einbauten in eine Ein-Raum-Wohnung verwandelt. In jedem Fall kann man hier von einer sehr individuellen Wohn-Lösung sprechen.

Space Ship : Installation vor der Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, 29. November bis 14. Dezember. Kunst und Architektur: Ausstellung zum Thema Low-Cost-Bauten, Immatrikulationshalle TUM, Arcisstr. 21, 30. November nur bis 4. Dezember, täglich 15 bis 19 Uhr, Führungen täglich 17.30 Uhr

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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