Innenansicht:Allein unter allen

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Kooperatives Arbeiten, das klang toll. Am Ende blieb das Motto oft nur ein Traum

Von Anna Stockhammer

Der gläserne Künstler: Bei den Tagen der offenen Tür bekamen die Besucher Einblicke in Arbeit und Schaffen der Kreativen in der Alten Akademie, wie hier, beim Aktzeichnen im Freien. (Foto: Robert Haas)

Der Mann steht in der Glasbox im Freien. Mal posiert er mit einer Spielzeugpistole, mal schnallt er sich weiße Flügel um. Er ist nackt, bis auf eine Boxershort. Um die Box herum haben sich Menschen versammelt, sie zeichnen das Model. Die Szenerie spielt sich in der Kappellenstraße in der Innenstadt ab. Die Glasbox stand leer, und die Künstlerin Penelope Richardson hat die Gelegenheit genutzt. Normalerweise finden ihre Aktzeichen-Sessions in geschlossenen Räumen statt, heute aber ist ein besonderer Tag.

Es ist der letzte Besuchertag von "SP CE", dem Zwischennutzungsprojekt in der Alten Akademie. Richardson ist eine der mehr als 40 Kreativen, die hier knapp fünf Monate lang einen Raum zur Verfügung gestellt bekommen haben. So wie ihr Model in der Box sind am Tag der offenen Tür auch die Künstler gläsern. Die Öffentlichkeit schaut den Kulturschaffenden aus Musik, Film, Design, Kunst und Architektur über die Schulter, sieht, wie sie ihre Räume genutzt haben. Das Ziel sei neben dem Bereitstellen bezahlbarer Flächen vor allem das "kollaborative Arbeiten" gewesen. So formulierte es das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt. Schon im Treppenhaus wird klar: Mit der Zusammenarbeit hätte es besser laufen können. Plakate für Workshops, Ausstellungen und Vorträge sind da zu sehen, die sich die Bürokollektive für den Besuchertag ausgedacht haben. Gemeinsame Aktionen muss man erst suchen. Zwei aber gibt es: eine Ausstellung, für die sich drei Kollektive zusammengetan haben, und ein gemeinschaftlich organisierter Vortrag. Ansonsten machen viele ihr eigenes Ding. Die "Chillichicks" in Raum 505 haben an einem Buch gearbeitet. "Ein paar Monate mehr wären gut", sagt Andrea Lesjak, "dann kann auch in Sachen Kooperation etwas weitergehen. In so kurzer Zeit muss man sich erst kennenlernen, da kommt man nicht weit."

"Salon F" in Raum 522 sind nur zum Netzwerken hier. Der Co-Working-Club für Frauen ist erst vor zwei Monaten eingezogen. "Wir dachten, es kennen sich schon alle, und haben uns bei jedem vorgestellt. Die meisten waren überrascht, dass mal wer vorbeikommt", sagt Friederike Streib. Nachdem die Kreativen ihre Räume mal als Arbeits-, mal als Ausstellungsfläche nutzten, sind manche mehr, manche weniger hier gewesen. "Für uns hat es sich aber gelohnt", sagt Judith Anger, "wir haben uns zum Beispiel mit Susn Kohl vernetzt." Kohl, die in Raum 521 ein Designprojekt gestartet hat, erzählt, dass jeder darum kämpfe, seine eigene Arbeit herzuzeigen. "Man müsste mehr auf die Verbindungen achten, es reicht nicht, 40 Künstler zusammenzusperren und auf tolle Kollaborationen zu hoffen."

Kürzlich waren bei den Tagen der offenen Tür unter anderem Videokunst und Installationen geboten. (Foto: Robert Haas)

Das Model deutet an, dass es raus möchte aus der Box. Penelope Richardson nickt, es sind ohnehin keine Leute mehr da. Im Gegensatz zum Model wollen die Kreativen nicht aus ihren Räumen ausziehen. Es sind bezahlbare Arbeits- und Ausstellungsräume mitten in München. Dennoch ist nun Schluss, denn die Akademie soll im Sommer umgebaut werden. An diesem Mittwoch gibt es noch eine Abschluss-Party im Schmuckhof, mit Live-Musik, DJs und Kunst. Eine Performance zum Thema Liebe ist ebenso geplant wie die Installation "Nebel-Cube". Für viele Künstler ist unklar, wie es weitergeht. Auch für Richardson: "Ich habe Salon F Bescheid gesagt, dass, wenn sie etwas finden, ich sofort dabei bin." Was bleibt, ist die Hoffnung auf eine zukünftige Kooperation.

SP CE Closing , Mi., 29. Mai, 17 Uhr, Schmuckhof der Alten Akademie, Neuhauser Straße 8-10

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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