Inflation des Kleingedruckten:Druckt es größer!

Lesezeit: 2 min

Der Teufel steckt in fünf Punkt Arial: Die inflationäre Ausbreitung des Kleinstgedruckten macht uns alle zu misstrauischen Menschen und die Welt zu einem schlechteren Ort.

Noch nie wurde in Deutschland so viel so klein gedruckt wie heute. Das liegt auch daran, dass es neuerdings sogar richtig Kleingedrucktes im Fernsehen gibt. Früher wurde Kleingedrucktes im Fernsehen nicht klein gedruckt, sondern ganz schnell gesagt. Das bekannteste schnellgesagte Kleingedruckte war: Zurisikenundnebenwirkungenlesensiediepackungsbeilage- undfragensieihrenarztoderapotheker. So schnelles Sprechen konnte damals nur zwei Ursprünge haben: Wick Vapo Rub oder Dieter Thomas Heck. Es war einfach, sich zurechtzufinden.

Heute ist das anders. Kleingedrucktes im Fernsehen wird kaum noch schnell gesagt. Kleingedrucktes wird eingeblendet, und zwar kleinstgedruckt. Zu den wenigen Herausforderungen, die dem deutschen Fernsehzuschauer geblieben sind, gehört, diese kleinen Texte lesen zu wollen, die während des Werbespots eines Mobilfunkanbieters eingeblendet werden. Ausgeschlossen. Das Ziel dieser - zeitlich wie räumlich - mikroskopischen Information kann nicht Informationsmitteilung sein. Niemand kann das so schnell lesen. Die wenigsten erkennen, dass es sich um Schrift handelt. Eine Verblendungs-Einblendung. Es geht wohl um ein Gefühl, das Gefühl, dass man dem Anbieter nicht trauen soll. Der sagt nur, der meint nicht.

Die dunkle Seite des Vertrauens

Nun könnte man fragen: das Kleingedruckte, doch nur eine Randnotiz? Nein, leider nicht, Kleingedrucktes ist gefährlicher als Großgeplärrtes. Eine Alltagsbeobachtung: Was macht jemand, der ein tolles Angebot in einer Zeitung entdeckt? Er schaut sich nicht das Produkt genauer an, er fragt nicht, ob er das braucht, wo er es hinstellen könnte, wem er mit so einem feinen Schnäppchen eine Freude machen würde, nein, tut er nicht. Er wird suchen. Das Aber wird er suchen, die Einschränkung, das Sternchen, die kleine Ziffer, rechts oben oder gleich neben dem Preis. Er wird bereits auf den winzig kleinen Text unten am Rand der Anzeige warten, der sinngemäß sagt: Für 29 Euro nach Costa Rica? Und das glaubst du, ja?

Misstrauisch sind wir geworden, Konsumzyniker, Einkaufsmisanthropen, Enttäuschungserwarter. Irgendwo zwischen der Sanostol-Melodie und dem ,,20 Prozent auf alles außer Katzenfutter'' ist die Unschuld verlorengegangen. Das Kleingedruckte war das. Es hat uns verändert. Das Kleingedruckte ist ein Ort der Feigheit, die dunkle Seite des Vertrauens, die Rumpelkammer des Anstands. Seitdem das Kleingedruckte vor sich hinmetastasiert, glauben wir nichts mehr, es hat uns zu schlechteren Menschen gemacht. Die Französische Revolution hätte es mit Kleingedrucktem nicht gegeben, die Magna Charta kam ohne Kleingedrucktes aus, die Bibel auch. Die Gefahr, so ist das schon immer, versteckt sich gern, manchmal in einer dunklen Gasse, manchmal in fünf Punkt Arial. Druckt es größer!

© SZ v. 3.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: