Indie-Pop:Warhaus

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Er ist kein uralter Blues-Musiker. Trotzdem klingt sein tiefer, flüstern­der Gesang nicht albern, sondern fein verrumpelt und fabelhaft.

Von Jens-Christian Rabe

(Foto: Titus Simoens)

Tief, sehr tief ist diese Stimme, aus einem Menschen kommt sie, der offenbar weit gereist ist, in sich und in der Welt, der alles gesehen und noch mehr erlitten hat und zwar schon vor langer Zeit. Und dann wird mit ihr eigentlich auch nicht im strengen Sinne gesungen. Es ist eher ein verschlepptes, mitunter tonnenschweres, geflüstertes, melodiöses Sprechen, das den Worten ihren Klang mit aller verbliebenen Kraft und Weisheit zäh abringt. Irrsinnig präsent und entrückt gleichzeitig. Als würden die Laute erst mühsam über die Stimmbänder, die längst bloß noch rostige Drahtseile sind, in Richtung Mikrofon herausgestemmt werden müssen, nur um doch bald wieder zurückzustürzen. In Zeitlupe.

Mit anderen Worten: So eine Stimme kauft man eigentlich nur uralten Bluesmen ab oder Leonard Cohen, bei allen anderen ist sie zu tief, um erträglich zu sein. Der Grat ist so schmal bis zum albernen Nahtod-Pathos im Stil von "Herr-der-Ringe"-Superbösewichtern.

Tja, aber dann gibt es eben noch den belgischen Sänger und Songwriter Maarten Devoldere, der auch so eine Stimme hat. Oder mindestens die eines ambitionierten Möchtegern-Cohen. Und es ist kein bisschen unerträglich, sondern ganz fabelhaft. Im Hauptberuf ist Devoldere Kopf der belgischen Indierock-Band Balthazar, unter dem Namen Warhaus hat er im vergangenen Jahr sein erstes, fein verrumpeltes Indiepop-Soloalbum veröffentlicht: "We Fucked A Flame Into Being". Das nun erschienene zweite Solo ist unbetitelt, beinhaltet aber mit "Mad World" und "Love's A Stranger" nicht nur mindestens zwei grandiose Songs, in denen unwiderstehlich zäh verschleppt von der Liebe und sonstigen Abgründen gesungen wird. Es ist als Antipodin auch wieder die Sängerin Sylvie Kreusch dabei, die dem Raunen Devolderes eine wirklich hinreißende somnambule Lässigkeit zur Seite stellt. Abgesehen davon muss man das Video zu "Mad World" gesehen haben: Würdevoller kann man auf offener Straße in der Mallorca- Tourihölle von Magaluf dem Wahnsinn nicht die Stirn bieten.

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