Im Kino:Gehirnwäsche unterm Weihnachtsbaum

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"Mein Schatz, unsere Familie und ich" bringt Reese Witherspoon und Vince Vaughn als zwei ausgeprägte Festmuffel in Nöte.

Anke Sterneborg

Nirgendwo wird die Weihnachtsmaschinerie alljährlich so unerbittlich in Gang gesetzt wie im "Winter Wonderland" USA. Auch die widerspenstigsten Schurken und Festmuffel müssen dort erfasst und überrollt werden. Dickens' Ebenezer Scrooge, aus England eingebürgert, der schreckliche "Grinch", der Weihnachten stehlen wollte, auch Billy Bob Thorntons versoffener "Bad Santa" - sie alle werden so lange einer Gehirnwäsche unterzogen, bis auch sie vom Geist des frohen Fests erfüllt sind, fromme Lieder singen und nur noch milde lächeln können.

Anstatt Sonnen im Südpazifik, Krippenspielterror zu Hause: Kate (Reese Witherspoon) und Brad (Vince Vaughn). (Foto: Screenshot: www.fourchristmasesmovie.com)

In diesem Jahr sind Kate (Reese Witherspoon) und Brad (Vince Vaughn) dran, ein geradezu schamlos glückliches Paar, das sich schon drei friedliche Beziehungsjahre unter fadenscheinigen Ausreden aus dem tückischen Friede-Freude-Eierkuchen-Karussell der familiären Weihnachtsfeste davongestohlen hat.

Fidschis Futsch

Auch diesmal ist das der Plan: Während sie angeblich an exotischen Orten gegen Hunger und die Krankheit kämpfen, wollen sie in Wirklichkeit ganz eigennützig dem Strandvergnügen auf den Fidschi-Inseln frönen. Als aber unerwartet in San Francisco alle Fernflüge storniert werden, sind sie gezwungen, sich dem Erwartungsdruck ihrer Familien zu beugen.

In Zeiten zerrütteter Familienverhältnisse bedeutet dies, dass sie gleich vierfach durch die Hölle der elterlichen Familienweihnacht geschickt werden. Darauf bezieht sich der Originaltitel "Four Christmases", während der deutsche Verleihtitel auf einschlägige Schwiegerelternkatastrophen anspielt.

Am Anfang sind die beiden noch ausgesprochen guter Dinge und verteidigen ihr eigenwilliges Lebenskonzept mit rasanten Screwball-Dialogen gegen alle Konventionen. Doch auf dem zermürbenden Parcours durch die Instanzen familiärer Demütigung wird mit dem Schwung der Helden auch der des ganzen Films systematisch aufgerieben, bis er nur noch schleppend aufs unvermeidliche Familien-Happy-End zusteuern kann. Allen schlechten Vorbildern der Elterngeneration zum Trotz - die von einer ganzen Riege hochkarätiger Schauspieler wie Robert Duvall, Sissy Spacek, Jon Voight, Mary Steenburgen und Dwight Yoakam mit einiger Verve durchgespielt werden - bekommt Reese Witherspoons Kate am Ende doch noch feuchte Augen vor Sehnsucht nach Familien- und Babyglück.

Gegen die geballte Kraft des amerikanischen Weihnachtszaubers haben eben auch die überzeugtesten Gegner keine Chance. Da bleibt auch dem Regisseur Seth Gordon, der mit seinem Dokumentarfilm über die Konkurrenz von zwei leidenschaftlichen "King of Kong"-Spielern einigen Witz bewiesen hat, nichts anderes übrig, als die Helden seines Spielfilmdebüts ans Familienidyll auszuliefern.

Dabei hätte es wirklich Klasse, wenn mal jemand die titanische Anstrengung aufbrächte, das letzte Kinotabu zu brechen und ernsthaft gegen die Diktatur der Weihnachtsengel und Geschenkewichtel zu revoltieren. Es wäre zwar trotz allem nur ein Film - aber unterm eigenen Weihnachtsbaum würde uns dann sicher gleich etwas leichter ums Herz.

Four Christmases, USA 2008. Regie: Seth Gordon. Buch: Matt Allen, Caleb Wilson. Kamera: Jeffrey L. Kimball. Mit Reese Witherspoon, Vince Vaugn, Robert Duvall. Verleih: Warner. 82 Min.

© SZ vom 4.12.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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