Im Kino: "Ein Leben für ein Leben":Es ist ein Hundeleben

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Adam ist der Star-Patient des Sanatoriums - im KZ ist er zum Hund abgerichtet worden. Nun soll er einem anderen "Hund" helfen. Jeff Goldblum in der Holocaust-Therapie zwischen Horror und Tabu-Bruch.

R. Gansera

In jedem zweiten Film gibt es diesen Moment, eine Urszene des Kinos überhaupt: Jemand schreckt aus dem Schlaf hoch, reißt die Augen auf, wischt sich die Schweißperlen von der Stirn und atmet durch - weil der Albtraum scheinbar sicher von der Wirklichkeit getrennt ist. Auch "Adam Resurrected" beginnt so: Adam Stein (Jeff Goldblum) schlägt die Augen auf und verdreht sie grotesk. Dann lächelt er, seine Erinnerung schweift zurück in die zwanziger Jahre, wo er ein gefeierter Variété-Star in Berlin war, Clown, Hellseher, Magier und Showmaster in einem.

Adam und der Hunde-Junge. (Foto: Foto: Filmverleih)

Sein Albtraum jedoch war bitterste Wirklichkeit: Er spielt in einem Vernichtungslager der Nazis. Dort konnte Stein nur überleben, weil der sadistische Lagerkommandant Klein (Willem Dafoe) ihn für "Trost und Unterhaltung" beanspruchte und zu seinem Hund machte - im wahrsten und demütigendsten Sinn des Wortes. Adam musste auf allen Vieren kriechen, sich mit Schäferhund Rex, dem "König der Hunde", um Knochen balgen, bellen und winseln.

Das Trauma der Erniedrigung und Entmenschlichung sitzt tief. Die Gestalt des Lagerkommandanten hält Adams Seele noch viele Jahre später wie ein teuflischer Dämon besetzt. Hinzu kommt, dass sich Adam zum Vorwurf macht, ein Überlebender zu sein, der Frau und Tochter nicht retten konnte. Davon erzählt dieser bizarre, verstörende Film, der unvergleichlich präzis in die Mechanismen der Trauma-Bewältigung eindringt: von Dämonenaustreibung und vom Versuch, mit einer als unverzeihlich empfundenen Schuld zu leben.

"Ein Leben für ein Leben / Adam Resurrected" basiert auf dem 1968 erschienenen Roman "Adam Hundesohn" des israelischen Schriftstellers Yoram Kaniuk. Der Regisseur Paul Schrader hat den Stoff zu einem Mix aus Horror und Groteske, Irrenhaus-Komödie und Erlösungs-Fabel geformt. Ein Balanceakt, der gelingt, weil Jeff Goldblum seiner Figur bezwingende Präsenz verleiht.

Bellen und Winseln

Die Gegenwart der Erzählung spielt Anfang der sechziger Jahre in einem Sanatorium für "experimentelle Therapie-Methoden", das sich wie eine Fata Morgana in der israelischen Negev-Wüste erhebt. Dort sollen Holocaust-Überlebende "Vergangenheitsbewältigung" lernen, dort ist Adam der Star-Patient. Gekleidet in einen strahlend weißen Anzug, ist er eine hochgewachsene, jungenhafte Erscheinung, eine Art Retter-Figur für seine Mitpatienten. Er zieht alle Register seiner Showmaster-Nummern, hat eine Affaire mit der attraktiven Oberschwester, und die Klinikärzte lassen ihn gewähren: "Vielleicht können sich die Patienten ja untereinander besser heilen!"

Was sich hier abspielt, könnte ein munter-rebellisches Spektakel à la "Einer flog über das Kuckucksnest" werden - wären die Patienten nicht noch immer Gefangene im Schreckenslabyrinth des Holocaust. Dann taucht ein neuer Patient auf: ein zwölfjähriger Junge, der sich für einen Hund hält. Er bellt und knurrt und muss angekettet werden. Die Ärzte sind gescheitert - Adam ist der Einzige, der Kontakt zu ihm findet. Es ist wie bei dem Wolfsjungen in Truffauts "L'Enfant Sauvage": der zuerst mühselige, dann beglückende Prozess, wie ein Kind den aufrechten Gang und die menschliche Sprache wiederfindet.

Schrader und Goldblum wissen, wie wenig die Zerstörungen zu reparieren sind, die Demütigung und Folter bei den Opfern anrichten. Sie lassen die Geschichte nicht leichthin optimistisch ausklingen. Sie halten das Erschrecken wach.

ADAM RESURRECTED, D/USA/Israel 2008 - Regie: Paul Schrader. Buch: Noah Stollman. Kamera: Sebastian Edschmid. Mit: Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Ayelet Zurer. 3L-Film, 106 Minuten.

© SZ vom 20.2.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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