Im Kino: "28 Weeks Later":Die sich selbst zerfleischen

Lesezeit: 2 min

Voll die Seuche: Die Fortsetzung des Horrorfilms "28 Days Later" überzeugt durch Zombie-Action, apokalyptisches Sightseeing in London und Momente dunkler Poesie.

Hans Schifferle

Die sich selbst zerfleischen, Zombie-Massaker im United Kingdom. 28 Wochen sind vergangen, seit die an einer Art Tollwutvirus Infizierten fast alle Gesunden getötet haben, wovon der Film "28 Days Later" erzählte. Nun soll die britische Insel unter US-Führung langsam wiedergewonnen werden für die Zivilisation, von einer streng bewachten Sicherheitszone auf der Londoner Isle of Dogs aus.

London als urbanes Niemandsland, in Sektionen aufgeteilt, von Scharfschützen des Militärs patrouilliert - dieses London erinnert natürlich an Bagdad, an die wirren, chaotischen Auseinandersetzungen im Irak. Der moderne Zombiefilm ist seit George A. Romeros "Night of the Living Dead" sicher das Horrorgenre mit dem stärksten politischen Subtext.

"28 Weeks Later" ist die Fortsetzung des erfolgreichen britischen Horrorfilms "28 Days Later" von Danny Boyle (Regie) und Alex Garland (Buch). Das Besondere an dem Vorgängerfilm war der realistische, beinahe an die Dogma-Tradition erinnernde Inszenierungsstil: Mit Digitalkameras wurden gleichsam die Zombie-Apokalypse und die Auflösung aller sozialen Systeme protokolliert.

Hier geht's zur "28 Weeks Later"-Bildergalerie.

Im neuen Film agieren Boyle und Garland nur im Hintergrund, die neuen Macher kommen aus Spanien: Regie führt Juan Carlos Fresnadillo, der mit seinem bizarren Thriller-Fresko "Intacto" vor ein paar Jahren hat aufhorchen lassen, einer der Autoren ist Enrique López Lavigne, der viele Filme des Meloregisseurs Julio Medem produziert hat, auch den neuesten, "Caótica Ana", der vor wenigen Tagen in Spanien startete.

Den Stil des Vorgängers behalten Fresnadillo und Co. bei, sie verstärken noch die Ästhetik der Unübersichtlichkeit. Jeder Jump-Cut wirkt wie der tödliche Angriff eines Zombies. In diese Atmosphäre der absoluten Gewalttätigkeit betten die Spanier eine sinnliche Familiengeschichte ein, eine Geschichte voll von zärtlichen Momenten, vertanen Chancen und großer Schuld.

Don, gespielt von Robert Carlyle, hat es als einer der ganz wenigen Überlebenden der Zombie-Katastrophe zum zivilen Leiter der Quarantänezone gebracht. Als seine zwei Kinder vom Festland in seine noch zerbrechliche Londoner Welt zurückkehren, wollen sie wissen, wie ihre Mutter in den Unruhen ums Leben kam.

Hoffnung auf Erlösung

Vater Don, teils hyperaktiv im Neubau engagiert, teils seltsam traumatisiert wirkend, kann ihnen keine restlos befriedigende Antwort geben. Auf der Suche nach Erinnerungsstücken, an die Mutter vor allem, verlassen die Kinder die Sicherheitszone. Das noch unberührte, postapokalyptische London erscheint wie ein riesiger, makabrer Spielplatz.

In dieser psychosozialen Trümmerlandschaft erleben die Kinder eine unglaubliche Wiederbegegnung wie aus der Freudschen Traumdeutung. Sie finden die Mutter wieder, die zwar infiziert ist, aber infolge einer natürlichen Immunität nicht an der Zombie-Krankheit leidet.

Die Wiederkehr des Verdrängten ist natürlich das Thema aller Zombiefilme, und Fresnadillo, vor allem ein Regisseur magischer Momente, gestaltet diese Wiederkehr in Begegnungen voll emotionaler Spannung. Das Auffinden der Mutter durch die Kinder wird noch übertroffen, als Don seine Frau, jetzt in der Obhut der Armee-Wissenschaftler, wiedersieht. Was ist damals geschehen vor 28 Wochen?

Biblische Motive tippt Fresnadillo an: die Erbsünde und die Vertreibung aus dem Paradies, das wohl schon eine Hölle war. Vater und Mutter küssen sich, ein Kuss zwischen Rache und Versöhnung, dabei fließt eine Träne aus Blut.

Die dunkle Poesie dieser Szene kann Fresnadillo nicht durchhalten. Der Rest des Films ist Zombie-Action und eine apokalyptische Pilgerfahrt vorbei an Londoner Touristenattraktionen. Das Ziel ist ausgerechnet das neue Wembley-Stadion, wo die Verzweifelten auf Erlösung hoffen.

28 WEEKS LATER, GB/USA/ESP 2007 - Regie: Juan Carlos Fresnadillo. Buch: Rowan Joffe, Fresnadillo, E. L. Lavigne, Jesús Olmo. Kamera: Enrique Chediak. Mit: Robert Carlyle, Rose Byrne, Idris Elba, Catherine McCormack. Fox, 99 Min.

© SZ vom 30.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: